Arbeitsunfall mit Spülmittel in der Restaurantküche

30.10.2025
Gourmet 11/25
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Allenfalls muss die Arbeitgeberin beweisen können, dass sie ihrer Fürsorgepflicht (Art. 328 OR) nachgekommen ist. Diese Beweise sind unverzüglich zu sichern und zu dokumentieren.

Was ist passiert?

Der klagende Arbeitnehmer war vom 1. August 2019 bis 31. Oktober 2020 als Hilfskoch beim beklagten Gastro-Unternehmen angestellt. Am 1. Dezember 2019 zog er sich am rechten Auge eine Verätzung durch das Geschirrspülmittel zu. In der Folge war er vom 1. bis 10. Dezember 2019 in der Augenklinik hospitalisiert. Bis Ende 2020 leistete die Unfallversicherung Unfalltaggelder. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt mit dem Abwasch beschäftigt. Normalerweise wird für das Spülmittel ein System mit einem Sicherheits-Steckanschluss verwendet, und das Spülmittel befindet sich in einer Halterung. An jenem Tag war das Geschirrspülmittel – anders als üblich – am Boden in einem Plastikkanister unterhalb des Arbeitsbereichs des Klägers platziert. Dieser provisorische Behälter war am Tag zuvor vom Küchenchef – in Absprache mit dem Betriebsleiter – in-stalliert worden. Anlässlich der polizeilichen Befragung – rund zweieinhalb Jahre nach dem Unfall – gab dieser zum fraglichen Spülmittel-Provisorium an, er habe mit einem Schraubenzieher ein Loch in den Deckel des Plastikkanisters gemacht und den Schlauch durchgezogen. Der Schlauch sei fest drinnen und der Deckel zu und angezogen gewesen, weshalb es unmöglich gewesen sein könne, dass der Schlauch einfach so rausgesprungen wäre, es sei denn, man hätte den Kanister geschüttelt oder eine ähnliche Manipulation vorgenommen.

Strittig war vor dem Arbeitsgericht, ob das beklagte Gastro-Unternehmen für diesen Unfall eine zivilrechtliche Haftung treffe.

Aus den Erwägungen des Arbeitsgerichts:

Zwar machten die Beklagten geltend, dass im Nachhinein nicht mehr präzise nachvollzogen werden könne, wie das Spülmittel ins Auge des Klägers gelangte. Auch ist nicht erstellt, dass der Boden zum Unfallzeitpunkt mit Material vollgestellt war. Trotzdem scheint es möglich, dass der Unfall verursacht wurde, weil der Kläger das Provisorium während des Abwaschvorgangs mit einem sperrigen Gegenstand oder anderweitig touchierte. Nicht gefolgt werden kann hingegen der Behauptung der Beklagten, der Unfall müsse die Folge einer Manipulation oder Unachtsamkeit des Klägers gewesen sein. Da spätestens aufgrund des Spitalaufenthalts des Klägers bekannt war, dass es sich bei dessen Augenverätzung nicht um eine Bagatelle handelte, wäre es in Ausübung der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht (Art. 328 OR) angezeigt gewesen, den Arbeitsunfall zeitgerecht zu dokumentieren, sich über die Umstände des Unfalls Kenntnisse zu verschaffen und insbesondere den zweifelhaften Spülmittelkanister als Beweismittel zu sichern. Weil dies nicht geschah, bleibt der genaue Unfallhergang im Unklaren. Der Verstoss gegen die Obliegenheit der Arbeitgeberin, sich über den Unfallhergang Rechenschaft zu verschaffen, hat für sie prozessuale Nachteile beweisrechtlicher Natur zur Folge. Zwar trifft es zu, dass grundsätzlich den Kläger die Beweislast sowohl für den Schaden als auch für die Verletzung der Fürsorgepflicht und die Kausalität zum Schaden trifft (Art. 8 ZGB). Allerdings ist offensichtlich, dass es sich bei der vom Küchenchef angefertigten Vorrichtung um eine improvisierte Lösung handelte, welche nicht dieselbe Sicherheit bot wie die angestammte Vorrichtung. Demzufolge drängt sich die Vermutung auf, der provisorische Spülmittebehälter sei für den Unfall verantwortlich. Es obliegt deshalb der Arbeitgeberin, diese Vermutung durch erhebliche Zweifel umzustürzen. Unter solchen Umständen darf das Gericht gestützt auf die freie Beweiswürdigung (Art. 157 ZPO) vom eingetretenen Schaden auf den mangelhaften Zustand einer Vorrichtung schliessen: Der Spülmittelbehälter, der unter dem Abwaschbereich stand, musste vernünftigerweise so konstruiert sein, dass kein Mittel verspritzt werden kann. Das ist der Zweck des normalerweise verwendeten Steckanschlusses, des fixierten Behälters und des zugehörigen Abfüllstutzens. Die Gewährleistung einer jederzeit sicheren Vorrichtung ist mit vernünftigem Aufwand zu erreichen. Sodann muss die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht auch mit Unachtsamkeit der Arbeitnehmenden rechnen. Zwar bleibt unklar, was genau geschah. Es gibt allerdings auch nach durchgeführtem Beweisverfahren keine überzeugenden Indizien dafür, wonach der Kläger am Behälter hantierte. Somit besteht die Vermutung, dass der Behälter, der zum Unfall führte, die im Rahmen der Fürsorgepflicht verlangte Sicherheit nicht gewährleistete und für den Unfall verantwortlich war.

Zusammenfassend gelangt das Arbeitsgericht zum Schluss, dass die Augenverätzung auf das nicht genügend gesicherte Spülmittel-Provisorium zurückzuführen ist, welches vom Küchenchef installiert worden war. Die Fürsorgepflichtverletzung und der Kausalzusammenhang zur Augenverletzung sind somit erstellt. Die beklagte Gastro-Unternehmung haftet für den aus dem Handeln ihrer Hilfspersonen entstandenen Schaden (Art. 101 OR), auch wenn von einem wenig ausgeprägten Verschulden auszugehen ist.

(Quelle: Arbeitsgericht Zürich / Urteil vom 21. Juni 2023)


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