Das meint Torsten Götz*

01.03.2023
Gourmet 1/2/3/23
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Gastkolumne: Neues Jahr – neues Glück? – Weit gefehlt? Oder steht weiterhin die Frage im Raum: wie entwickelt sich unser Business und die gesamte Branche im 2023?

* TV-Koch, Küchen-Coach, Inhaber von «Genuss im RauMWerk», Belp

Eines vorneweg – es bleibt spannend, auch wenn viele Anzeichen eher positiv sind! Zumindest wird das neue Jahr für einige von uns wieder extrem herausfordernd werden. Nach wie vor kämpfen viele von uns mit dem Fachkräftemangel, und die ersten Konsequenzen dieses Dilemmas sind mehr als spürbar. Aber nicht alleine hinter den Kulissen spielen sich Dramen ab, auch dass sich das Gästeverhalten verändert hat, kann wohl kaum einer mehr abstreiten. Darüber möchte ich dieses Mal ein paar Gedanken aufwenden:

Einige Betriebe sind wie eh und je sehr gut frequentiert, wobei hier anzufügen ist, dass die Lage und das Angebot und eine bereits jahrelange Verankerung beim Gästesegment sehr viel dazu beitragen. Aber auch diese Betriebe spüren wahrscheinlich, dass die Reservationen der Gäste kurzfristiger und auch unverbindlicher geworden sind. Der Gast ist es aus den Bedingungen der Pandemie mittlerweile gewohnt zu reservieren; doch sind dann keine Plätze mehr verfügbar, erntet der Gastgeber des Öfteren ein gewisses Unverständnis — sowohl von «Stammkunden», die keinen Platz mehr bekommen, obwohl sie schon immer treu erscheinen, als auch von spontanen Gästen, die nie einen Platz bekommen, da alles ausgebucht ist. Dennoch beglückwünsche ich jeden in der Branche, der so exponiert arbeiten kann und keine freien Plätze mehr anbieten kann.

«Der Gast ist es aus den Bedingungen der Pandemie mittlerweile gewohnt zu reservieren.»

Aber: Wer aktuell mit seinen Gästefrequenzen zu kämpfen hat, hinterfragt vieles. Die Leistung ist doch gut und stabil – wo sind also all die bisherigen Gäste wohl hin?

Natürlich ist der Standort des Betriebes ein wesentlicher Faktor, welcher die Kundenfrequenz generell beeinflusst. Wir wissen, dass Betriebe an einer zentralen und gut erreichbaren Lage einen Wettbewerbsvorteil haben. Es gibt allerdings auch eine ganze Reihe von Gastro-Betrieben, die diese Voraussetzung nicht haben und trotzdem sehr gut frequentiert sind. Woran kann das liegen? Vermutlich am Wohlfühlfaktor, den Gastgeber-Qualitäten und einem an das Umfeld angepassten kulinarischen Angebot. Somit liesse sich schlussfolgern, dass die Kundenfrequenz wohl massgeblich vom Angebot an Produkten und Dienstleistungen beeinflusst wird. Je profilierter und gezielter die Produktauswahl und die Dienstleistungen sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gäste zu uns kommen. Eine klare Linie und ein gewisses Alleinstellungsmerkmal helfen, um dem Gast einen Mehrwert gegenüber den naheliegenden Mitbewerbern zu bieten.

Eine weitere Möglichkeit, die Gästefrequenz zu erhöhen, besteht darin, regelmässige Spezialangebote und gewisse «Goodies» anzubieten. Dies kann die Gäste dazu ermutigen, öfters einen Tisch im Restaurant zu reservieren: Events, spezielle Abende und Aktionen kreieren; z.B.  kulinarische Feste, Live Events, mit regionalen Lieferanten zusammenarbeiten, Kochkurse anbieten – eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die Attraktivität hervorzuheben.

Ein gewisses «es muss sich lohnen»-Verhalten ist mittlerweile (leider) in unserer Gesellschaft verankert – aber warum unser Angebot nicht «lohnenswert» gestalten? Nichts ist bessere Werbung als begeisterte Gäste, die Freunden von dem tollen Lokal, Essen, Service, Event usw. erzählen.

Eine weitere Alternative könnte ein Lieferservice sein. In den Ballungszentren seit der Pandemie Usus, ist es in ländlicheren Regionen eher noch unüblich. Hier stellt sich vor allem die Kernfrage des «wenn ja – wie» und in welchem Umfang? Und nur für den Lieferservice ein neues Kaninchen aus dem Hut zu zaubern, ist nicht zielführend, eher sollte man sich damit auseinandersetzen, ob das aktuelle Angebot auch für einen Lieferservice umsetzbar ist. Denn wenn das Angebot und die Leistung stimmen, ist eine Steigerung der Frequenzen und des Umsatzes möglich.

Inzwischen gibt es ja auch die findigen «Einwecker», die ihren Food portionsweise in Gläser einkochen, diese per Post versenden, über die Gasse verkaufen oder bei Dritten zum Verkauf ausstellen.

Leckeres im Glas verschicken? Das klingt nicht nur ungewöhnlich, sondern das kann es tatsächlich auch sein. Denn der Postversand von Essen im Glas ist eine ganz besondere Art, vorproduzierte Lebensmittel und Gerichte an die Kunden zu bringen. Die Speisen und Gerichte können anstatt in Gläsern auch in Beuteln angeboten werden. Weitere Produkte, wie z.B. Chutneys, Saucen, Gewürzmischungen sind eine grossartige Erfindung. Sie ermöglichen es den Gästen, zu Hause ihre Lieblingsspeisen ganz einfach und schnell zuzubereiten.

Für uns ist hier prioritär festzulegen, wie die Zubereitung der Produkte für diesen Vertriebsweg funktioniert. Was habe ich als Hersteller alles zu beachten? Denn schon alleine, was die Hygieneanforderungen anbelangt, wird hier weitaus mehr verlangt als im normalen Küchenalltag. Man muss einen grösseren Effort leisten, bis die Produktion soweit organisiert ist, dass das Produkt die Marktreife erreicht – Haltbarkeit, Deklaration, sensorische Profilierung, usw..

Aber der Aufwand kann sich durchaus lohnen, denn die Gäste sind dankbar für feine Speisen für zu Hause – hergestellt von einem ihrer Lieblingsgastronomen. So können sie guten Gewissens schlemmen, da sie genau wissen, was im Glas oder Beutel enthalten ist.  Auf diese Weise kann eine ganz neue und wunderbare Art der Kundenbindung entstehen, und wenn man das Ganze noch mit der Region oder bestimmten Produzenten verbindet, hat man auch eine tolle und nachhaltige Geschichte rund ums Produkt zu erzählen. Mein absolutes Credo dazu ist: wenn Selbstgemachtes auf diesem recht jungen Kanal vermarktet wird, dann bitte unbedingt ohne industrielle Zutaten und wenn möglich – und es ist möglich – ohne künstliche Zusatzstoffe.

«Kaum ein Kunde informiert sich nicht vor einem Restaurantbesuch über die Speisekarte oder die Öffnungszeiten.»

Es gibt mannigfaltige Möglichkeiten, um seinen Kundenkreis zu erweitern. Und hier sollten wir die zunehmende Digitalisierung nicht als Feind betrachten, sondern uns als Freund zunutze machen. Kaum ein Kunde informiert sich nicht vor einem Restaurantbesuch über die Speisekarte oder die Öffnungszeiten. Bevor es ins Hotel geht, werden Bewertungen studiert und am besten noch 360 Grad-Videos konsumiert. Der Kunde will nicht mehr die Katze im Sack kaufen, dazu sind Zeit und Geld zu kostbar.

Wie kann ich also meine Gäste vor dem Schritt in mein Lokal begeistern oder hungrig machen? Hierzu gibt es zahlreiche Möglichkeiten mit grossem Potenzial.

Online-Portale sind eine grossartige Möglichkeit, um potenzielle Gäste auf die eigene Website und das Unternehmen aufmerksam zu machen. Mit der richtigen Werbung ist es möglich, die eigene Zielgruppe direkt anzusprechen und ihr den Betrieb und die Angebote schmackhaft zu machen.

Vor allem Social Media Kanäle sind ein ausgezeichneter Weg, um mit potenziellen Gästen in Kontakt zu treten. Indem wir regelmässig interessante und nützliche Inhalte veröffentlichen, können wir das eigene Unternehmen bekannter machen und Menschen dazu bringen, mehr über unsere Produkte oder Dienstleistungen zu erfahren. Auch tagesfrische Angebote oder Events können hier toll in Szene gesetzt werden – man unterschätze nie die Community!!!

Auch das eher klassische E-Mail-Marketing ist eine effiziente Möglichkeit, um mit bestehenden und potenziellen Gästen in Kontakt zu bleiben. Mit regelmässigen E-Mail-Newslettern können die Abonnenten nützliche Informationen über das Unternehmen oder die Produkte erfahren.

Auf alle Fälle zeigt sich, dass wir schon lange nicht mehr vom klassischen Koch oder von «normalen» Service- und Empfangsaufgaben sprechen, sondern ganz klar erkennen können, dass wir alle immer mehr zu einem kreativen aktiven Unternehmer werden müssen. Heute gilt es, neben seinem eigentlich erlernten Job auch Marketing, Zahlenmanagement, Mitarbeiterwesen u.v.m.  unter einen Hut zu bringen.

Wer sich hier nicht zu Hause oder überfordert fühlt: sprecht mit Euren jungen Mitarbeitenden. Sie sind oft begeistert, wenn sie die Aufgabe des «Social Media Managers» übernehmen dürfen. Auch gibt es zahlreiche Freelancer, die Euch bei der Erstellung von Content unterstützen oder sogar Euren Marktauftritt für wenig Geld betreuen.

Nun wünsche ich Euch ein erfolgreiches Jahr 2023 mit vielen neuen kreativen Ansätzen, zufriedenen und begeisterten Gästen, spannenden Ideen und viel Mut und Passion für alles, was noch kommt.

Herzlichst, Torsten Götz

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