Der Wirt als COVID-Polizist?
Wie in der Ausgabe Gourmet 6/21 ausgeführt, wäre ein Immunitätsnachweis im Gastgewerbe rechtlich wohl bis zum Zeitpunkt vertretbar, bis zu welchem alle Personen, die dies wünschen, gegen COVID-19 geimpft oder immun sind. Im Sommer 2021 sollte der amtliche Immunitäts-Ausweis in Form des «COVID-19 Zertifikats» schweizweit verfügbar sein, und der Bundesrat regelt per Ende Juni dessen Anwendungsbereich. Naturgemäss wird schon im Vorfeld in der Politik und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert, wo überall dieses COVID-Zertifikat zur Anwendung kommen darf, soll oder muss. Die Exponenten der Gastgewerbe-Branche wehren sich vehement gegen eine Prüfungspflicht der Wirte und Hoteliers gegenüber einlasswilligen Gästen, hauptsächlich mit dem Argument: «Der Gastwirt sei ein Dienstleister, kein Polizist!». Was ist rechtlich davon zu halten?
Gastgewerbe-Patent als staatliche Erlaubnis zum Betrieb des Gastgewerbes
Die Gaststätte galt seit jeher als Brennpunkt des sozialen Lebens, in positiver wie in negativer Hinsicht. Deshalb war die Obrigkeit schon immer bestrebt, das Gastgewerbe zu kontrollieren und zu regulieren. Folgerichtig bedurfte die Ausübung dieses Gewerbes einer staatlichen Bewilligung, welche an Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft war und heute noch ist. Solche Ausübungsvorschriften für das Gastgewerbe sind schon seit römischer und germanischer Zeit belegt, sie finden sich in mittelalterlichen Zunftstatuten und über die aufgeklärte «Policey» bis hin zu unseren modernen Gastgewerbegesetzen. Heute wie damals sollen diese Vorschriften in Verbindung mit staatlichen Kontrollmassnahmen die einwandfreie Führung der Gaststätte im Sinne der Allgemeinheit gewährleisten. Die mit den Gewerbeausübungsvorschriften verfolgten öffentlichen Anliegen sind polizeilicher Natur. Sie beziehen sich vorwiegend auf den Schutz von Ruhe und Ordnung, der Sittlichkeit sowie Treu und Glauben im Geschäftsverkehr, und eben auch auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit. Ihre rechtliche Grundlage finden die Gewerbeausübungsvorschriften in Artikel 36 der Bundesverfassung und den kantonalen Gastgewerbegesetzen.
Schon immer zahlreiche polizeiliche Berufsausübungsvorschriften für Gastwirte
Die gastgewerblichen Polizeivorschriften sind äusserst zahlreich Allein im Zusammenhang mit dem öffentlichen Gesundheitsschutz ist der Patentinhaber beispielsweise verantwortlich für die Einhaltung vieler Vorschriften der Lebensmittel- und Hygienepolizei, der Einschränkung des Alkoholausschanks auf bewilligte Lokalitäten und Flächen, Verbot der Alkoholabgabe an Kinder und Jugendliche, an Betrunkene, Alkoholabhängige, an Drogensüchtige sowie Geisteskranke. In diesen Kontext gehören auch die Beachtung und Durchsetzung der Nichtraucher-Vorschriften, der Glückspiel- und Wett-Einschränkungen, die Beachtung der Vorschriften über die Tierhaltung in Gaststätten, der Vorschriften über die Deklaration von Lebensmitteln und Dienstleistungen sowie die Führung der polizeilichen sowie der fremdenverkehrsstatistischen Gästekontrolle.
Gästekontrolle mit COVID-19-Zertifikat
Zu den oben aufgezählten Berufsausübungsvorschriften würde allenfalls auch die Einhaltung eines «Verbots zur Aufnahme von Gästen ohne Immunitätsnachweis» gehören, welches aufgrund des Epidemiegesetzes und der Verordnung vom 04.06.2021 über Zertifikate zum Nachweis einer Covid-19-Impfung, einer Covid-19-Genesung oder eines Covid-19-Testergebnisses statuiert werden könnte. Gegebenenfalls hätten die Betriebe – wie bei anderen staatlich verordneten Kontrollauflagen – den damit zusammenhängenden Administrationsaufwand in Kauf zu nehmen. Denn die Alternative wäre ein weiter andauerndes Betriebsverbot.
Vernachlässigung einer Kontrollpflicht als Patentverletzung
Die Ausübung der bewilligungspflichtigen Tätigkeit hat so zu erfolgen, dass die bezweckte Gefahrenabwehr ständig erfüllt ist. Der Verstoss gegen die Kontrollpflicht wäre eine Verletzung der Patentpflicht. Für solche Verstösse hat gegenüber dem Staat immer der Patentinhaber persönlich einzustehen, unbesehen davon, ob die Pflicht nicht von ihm, sondern von einem Angestellten oder einer anderen Hilfsperson verletzt wurde. Ist aber die gesetzlich einwandfreie Betriebsführung nicht mehr gewährleistet, so treten – unabhängig vom Ausgang eines allfälligen Strafverfahrens – je nach Art der Gesetzesverletzung unterschiedliche Administrativmassnahmen seitens der zuständigen Verwaltungsbehörde ein, wie: Ermahnung, Auflagen, Verwarnung und schliesslich zeitweiser oder dauernder Patent-Entzug. – Überdies hätte eine strafrechtliche Verurteilung wiederum die Trübung des guten Leumunds zu Folge, welcher seinerseits die Patentfähigkeit und damit die berufliche Zukunft des Patentinhabers beeinträchtigen kann.
Der «Wirt ist erster Polizist vor Ort»
Wenn also heute querbeet der Ruf erschallt, der «Wirt dürfe vom Staat nicht als Polizist missbraucht werden», dann ist diesen «Rufern in der Pandemie-Wüste» – bei allem Verständnis für die Abneigung gegen ungeliebte und aufwändige Pflichten - die Rechtsnatur des Gastgewerbe-Patents als Polizeierlaubnis und die damit verbundene Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit wohl zu wenig bewusst …