
Die Erfolgsgeschichte des Alten Tramdepots
Das Alte Tramdepot in Bern ist geschichtsträchtig, fast schon legendär. Seine heutige Nutzung verdankt es einem Ingenieur mit Affinität zur Gastronomie. Ein Visionär, der Gäste unter-schiedlichster Couleur an einen Tisch bringen wollte und damit bewusst gegen eine klare Zielgruppenstrategie handelte, die Marketingexperten empfehlen. Das Ergebnis: Das Alte Tramdepot wirtschaftet seit Jahrzehnten äusserst erfolgreich und geht auch haustechnisch innovative Wege.

Im Alten Tramdepot ist das Essen exzellent, die Aussicht top, das Bier selbst gebraut und beliebt. «Wie servieren herzhafte, bodenständige Gerichte. Einige gibt es nur hier, die Märzen-Bierbratwurst zum Beispiel. Haxen, Weisswurst und Tatar sind weitere Klassiker. Wir versuchen unser Handwerk auszuspielen», sagt Lukas Meier, Geschäftsführer des Alten Tramdepots, das fast schon den Status einer Sehenswürdigkeit hat. «In Bern sind wir zudem wohl das einzige Restaurant, in dem man spontan für 25 Gäste à la carte reservieren kann. Auch Hotels empfehlen uns gerne.» Wobei im Jahresdurchschnitt gerade mal sechs bis sieben Prozent der Gäste ausländische Touristen sind. Der Grossteil kommt aus der Schweiz, viele aus Bern selbst.
Das Alte Tramdepot wird geschätzt, grosszügig gebaut, mit breit gefächerter Karte und hauseigener Brauerei, ähnlich einem Bierbrauhaus, wie man es aus München oder Wien kennt. Es war diese Liaison – Brauerei & Restaurant –, die den Inhaber und VR-Präsidenten Thomas Baumann begeisterte, als er Anfang der 90er Jahre in Wien lebte. Und er machte sie zur Grundlage seiner Vision für das heutige Trampdepot: «Ich habe mir vier Gäste an einem Tisch vorgestellt. Die eine etwas älter, die andere jünger. Die eine politisch links, die andere eher rechts – vom ‹Büezer› bis zur Anwältin, die gemeinsam Bier trinken, diskutieren, essen, die preiswerte Spätzlipfanne zum Beispiel oder das gediegene Rib-Eye Roast. Ein moderner Stammtisch eben.»

«Wir servieren herzhafte, bodenständige Gerichte. Einige gibt es nur hier, die Märzen-Bierbratwurst zum Beispiel. Haxen, Weisswurst und Tatar sind weitere Klassiker. Wir versuchen unser Handwerk auszuspielen.»
Ingenieur gewinnt Ausschreibung
Eine Vision, die überzeugte. Ab 1994 wurde das Depot für das einstige Drucklufttram nach mehreren Zwischennutzungen für ein gastronomisches Konzept vorgesehen. 1997 erhielt es trotz Referendum mit 71 Prozent Zustimmung grünes Licht. «Eine treibende Kraft war damals übrigens die heutige Grünen-Nationalrätin Therese Frösch, die die richtigen Akteure zusammenbrachte», sagt Thomas Baumann, der als Ingenieur die Ausschreibung für das Restaurant mit eigener Brauerei gewann. Wobei: Eine Affinität zur Gastronomie hatte er schon. Seine Grosseltern führten ein Restaurant in Italien, das später sein Onkel übernahm. «Als Kinder waren wir oft dort. An der Basis habe ich aber nie gearbeitet. Mein Fokus lag auf dem Brauen. Hier konnte ich Kulinarik und Technik verbinden.»
Die Brauerei ist das Herzstück des Alten Tramdepots: Von anfänglich 1000 Hektolitern pro Jahr ist die Produktion auf 3000 Hektoliter angewachsen. Neben Märzen und Weizen umfasst das Sortiment 30 wechselnde Spezialitäten, darunter das Canadian Red Ale, ein Osterbock und ein Weihnachtsbier. An der Bar werden jeweils fünf Biere ausgeschenkt, drei Standardsorten plus zwei wechselnde Brewers-Tap-Biere. Seit 2021 ergänzen zudem zwei alkoholfreie Varianten, ein IPA und ein Märzen, als ‹Linie Null› das Sortiment.
Thomas Baumann führt die Brauerei bis heute, den Restaurantbetrieb hat er vor zwei Jahren seinem Nachfolger Lukas Meier übergeben, ein Berner durch und durch. Der gelernte Koch mit Hotelfachschulabschluss stammt ebenfalls aus einer Gastronomenfamilie. Seine berufliche Laufbahn ist eng mit Bern verknüpft: Er arbeitete im Bellevue Palace, im Casino, war Geschäftsführer der YB-Gastro und zuletzt zehn Jahre operativer Direktor des Kursaals Bern. Ein illustres Palmares. Nun tritt er in Thomas Baumanns Fussstapfen. Dieser bleibt Präsident des Verwaltungsrates, während Lukas Meier ab nächstem Jahr auch die Brauerei, das Weincafé Klösterli und das Zollhaus übernimmt (siehe Box).

30 wechselnde Bierspezialitätenumfasst das Sortiment des Tramdepots.

Auch in der Haustechnik visionär
Inhaber Thomas Baumann übergibt Lukas Meier nicht nur einen gut laufenden Betrieb, sondern auch einen technisch top sanierten. «Das Alte Tramdepot hat seit seiner Eröffnung zahlreiche Erweiterungen erlebt. 2004 wurde das zuvor abgebrochene Kesselhaus wieder aufgebaut. Wenige Jahre später folgte die Erweiterung des Gärkellers und 2011 erhielt die Brauerei neue Lagertanks», erklärt Thomas Baumann einige der markantesten Meilensteine.
Vor sechs Jahren stand dann der Kellerausbau auf dem Bauprogramm. Gleichzeitig war ein Heizungsersatz erforderlich und die Kälteanlagen mussten erneuert werden. «Diese Bedürfnisse haben wir in ein Gesamtkonzept gegossen, das auf einer umfassenden Studie basierte und sich ganz der Nachhaltigkeit verschrieb.» Das Resultat: «Ein integriertes System, bei dem alle vier Kälteanlagen mit CO₂ als klimafreundlichem Kältemittel betrieben werden. Die Abwärme wird in einen Tank geleitet und für Warmwasser und Heizung genutzt, die im Winter durch eine Wärmepumpe ergänzt wird. Diese Lösung spart uns zwei Drittel der Energie im Vergleich zur alten Gasheizung», betont Thomas Baumann. Und sie ist ziemlich innovativ: «In der Schweiz gibt es meines Wissens kein vergleichbares Konzept.»

Die Brauerei ist das Herzstück des Alten Tramdepots: Von anfänglich 1000 Hektolitern pro Jahr ist die Produktion auf 3000 Hektoliter angewachsen.

Die neusten Coups
«Vor einem Jahr konnten wir nach sieben Verhandlungsjahren zudem endlich unsere PV-Anlage installieren – eine Indachanlage, die zehn Prozent unseres Strombedarfs deckt. Das klingt nach wenig, aber der Energieverbrauch mit Brauerei und Kälteanlagen ist gross. Unser Vorteil: Die Produktion läuft tagsüber, so dass wir den erzeugten Strom zu 100 Prozent selbst nutzen können.»
Die Bauarbeiten müssen übrigens jeweils im Sommer stattfinden, um die Winterruhe der benachbarten Bären nicht zu stören. Herausforderungen gab es also genug und es gibt sie weiterhin. Aber nur sie bringen einen Betrieb weiter – dazu gehört auch die neue Sommerterrasse für rund 160 Personen, deren Grundriss die neue Unterkellerung vorgab: «Nach ausdauernden Abklärungen mit dem Denkmalschutz dürfen wir nun eine mobile Bedachung bauen. Das bedeutet mehr Betriebstage, mehr Events, mehr Sicherheit, weil der klassische Sommerplatzregen, der das Terrassengeschäft früher gerne mal zunichte gemacht hat, künftig kein Problem mehr ist», freut sich Lukas Meier.

Abgezählt
Das Alte Tramdepot hat Platz für 590 Leute. 230 im Restaurant, 90 oben im Saal, 140 auf der Terrasse und 160 im Biergarten. Um die Gäste kümmern sich rund 90 Mitarbeitende. Die sechsköpfige Brau-Crew zaubert jedes Jahr über 30 verschiedene Biersorten aus dem Sudkessel – das macht 3000 Hektoliter pro Jahr. Die Biere werden vor Ort getrunken und über die Gasse oder im Online-Shop verkauft.
In guter Gesellschaft: Klösterli, Eiswerkstatt und Zollhaus
Zum Alten Tramdepot gehören seit 2012 auch das Klösterli Weincafé, wo ein sorgfältig kuratiertes Weinangebot mit rund hundert Positionen auf ein exquisites Speiseangebot trifft. Die edlen Tropfen lagern hier in einem vier Meter hohen Regal. 20 Weine gibt es glasweise, und jede 7,5-dl-Flasche wird ab einigen Dezilitern entkorkt.
Aus Liebe zum Eis entstand 2017 im Foyer des Alten Tramdepots die Gelateria «Eiswerkstatt», wo nach traditionellem Handwerk Gelato wie in Italien produziert wird.
Und dann ist da noch das Zollhaus: Seit 2018 kann man in einem der vier Zollhäuschen auf der Nydeggbrücke übernachten – ein Mini-Hotel, 70 m² gross, auf zwei Etagen mit stilvollem Interieur und einer privaten Terrasse mitten im BärenPark.