Claude Meier, Direktor von HotellerieSuisse:

«Es hängt von dir ab» - Taten statt Worte!

11.03.2022
Gourmet 3/22
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«Die Landwirtschaft, das Bankenwesen, die Krankenversicherungen, die Gewerkschaften oder auch die Umweltverbände – sie alle bringen ihre Vertreterinnen und Vertreter direkt ins Parlament. Dort setzen sie sich im Interesse der jeweiligen Branchen für optimale politische Rahmenbedingungen ein. Demgegenüber hat die Schweizer Hotellerie keinen einzigen aktiven Hotelier und keine einzige aktive Hotelière im Bundeshaus. Auch in der Gastronomie und der weiteren Tourismuswirtschaft sieht es nicht viel besser aus. Wie schlimm ist das für unseren Sektor?

Meiner Ansicht nach haben wir gerade in der Pandemie bewiesen, dass gut organisierte Verbände und Allianzen viel erreichen können. Und ich behaupte, dass die Hotellerie, Gastronomie und Tourismusverbände unter dem Dach des Schweizerischen Tourismus-Verbandes STV in diesen zwei Jahren einiges erzielt haben: den Aufbau von Covid-Krediten sowie der Härtefallregelung, einen unbürokratischen Einsatz der Kurzarbeit, zusätzliche Mittel für die Tourismusvermarktung und einiges mehr. Ich behaupte aber auch folgendes: Hätten mehr politische Akteure aus unserer Branche direkten Einsitz sowohl im nationalen Parlament als auch in den kantnalen Parlamenten, wäre die Arbeit unserer Branchenverbände noch wirkungsvoller. Wo hapert es denn nun, dass wir so wenige Vertreterinnen und Vertreter aus unseren Reihen in der aktiven Politik zählen?

Betriebe der Hotellerie, Gastronomie und Tourismuswirtschaft sind wie viele KMU-Unternehmen mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Die zeitlichen Ressourcen der Hoteliers, Gastronominnen und Unternehmer sind beschränkt. Neben der Betriebsführung, Familienverantwortung, Weiterbildung oder einem Branchenengagement reicht es häufig zeitlich einfach nicht auch noch für ein politisches Amt. Hierfür habe ich auch ein gewisses Verständnis. In einem Land mit einem ausgeprägten politischen Milizsystem – also keinem Berufsparlament – stellt dies eine grosse Herausforderung für die Repräsentanz der verschiedenen Sektoren dar. Bei angestellten Hoteliers und Hotelièren höre ich ab und an auch noch, dass die Eigentümer ein politisches Engagement nicht sonderlich befürworten. Die Hotellerie und Gastronomie wollen ja alle Gäste willkommen heissen und nicht «parteiisch» erscheinen. Trotzdem beklagen sich viele, dass das Gastgewerbe in der Politik untervertreten ist. Fakt ist: nur das Beklagen von fehlender politischer Vertretung ändert nichts. Steht hin, stellt euch als Kandidatinnen und Kandidaten in euren Gemeinden, Städten, im Kanton oder auch auf Bundesebene zur Verfügung. Wer Hilfe und einen Sparringpartner braucht, meldet sich direkt bei mir.

Wenn sich dann aber mal jemand an eine Kandidatur und in einen Wahlkampf wagt, stellt sich die Frage, wie der aktive Support von uns Branchenkolleginnen und -kollegen konkret aussieht. Ich erinnere mich gut an den intensiven Nationalratswahlkampf von Andreas Züllig im Jahr 2019. Er weibelte monatelang im bündnerischen Tourismuskanton für die nötigen Stimmen, am Ende fehlten lediglich 120 für die Wahl. Haben wir damals alle unser Möglichstes getan? Wie viele Freunde, Bekannte, Familienmitglieder hast du damals im Kanton Graubünden vor der Wahl angeschrieben oder angesprochen? Ganz ehrlich: Erst wenn die Hotellerie, Gastronomie und Tourismuswirtschaft versteht, wie viel jeder Einzelne von uns mit wenig Aufwand zu erfolgreichen Wahlen beitragen kann, werden wir auch unsere angemessene Vertretung aus der Branche in der aktiven Politik haben.

«Ein weiteres Beispiel: Ich  kandidiere momentan selbst

im Kanton Bern als Grossrat.»

Claude Meier, Direktor von HotellerieSuisse

Ähnlich sieht die Ausgangslage auf kantonaler Ebene aus. Von den rund 3000 HotellerieSuisse-Mitglieder sind meines Wissens gerade mal vier auch aktive Entscheidungsträger in einem kantonalen Parlament. Vier Hoteliers in vier von 26 Kantonen. Wird diese Zahl nach künftigen Wahlen steigen? Ein aktuelles Beispiel zeigt sich hier im Kanton Bern: von den über 2200 Kandidierenden der im März 2022 zur Wahl stehenden Personen zählen gerade mal zehn (!) zur Gastronomie und Hotellerie. Ja, ich hätte mir auch mehr gewünscht.

Ein weiteres Beispiel: Ich kandidiere momentan selbst im Kanton Bern als Grossrat. Dabei habe ich je 400 Personen aus der Gastronomie und Hotellerie angeschrieben mit der Bitte um finanzielle Unterstützung zur Realisierung einer Plakatkampagne. Von 800 angeschriebenen Unternehmer:innen beteiligten sich schlussendlich 12 – da frage ich mich, ob das Bewusstsein einfach fehlt?

Gerade in den vergangenen zwei Jahren haben wir alle miteinander erlebt, wie die Entscheide in der Coronapolitik gefällt wurden. Wenn wir solche Entscheide aktiv beeinflussen wollen, dann müssen wir als Branche bestrebt sein, Vertrauenspersonen in die entsprechenden Parlamente in sämtlichen Kantonen wie auch ins Bundeshaus zu bringen. Diese Vertretung unseres Sektors ist eine Wunschvorstellung. Aber mit Wünschen allein ist noch lange nichts getan. Es braucht aktives Handeln! Es braucht jetzt Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger aus der Branche, die sich zur Verfügung stellen. Es braucht ein Bewusstsein bei allen Branchenvertretenden, dass nur schon eine Spende von 100 CHF für den Wahlkampf eines Branchenkollegen oder einer Branchenkollegin bei der Realisation einer ernsthaft geführte Kampagne enorm hilft. Im Oktober 2023 wird das Eidgenössische Parlament neu gewählt. Bringen wir mindestens vier Kandidatinnen und Kandidaten aus der Hotellerie zusammen, die bei diesen Wahlen antreten? Das erhoffe ich mir. Bis dahin sind noch zahlreiche Wahlen in den verschiedensten Kanton, als nächstes am 20. März im Kanton Waadt, am 27. März im Kantonen Bern oder etwa am 15. Mai im Kanton Graubünden. Unterstützt dabei die Kandidatinnen und Kandidaten unserer Branche.

Liebe Vertreterinnen und Vertreter aus Hotellerie, Gastronomie und Tourismus, die Branchenverbände engagieren sich täglich für eure Interessen auf dem politischen Parkett. Wenn ihr mehr wollt und auch selbst unterstützen wollt, wenn ihr es für wichtig und richtig erachtet, dass eure Brancheninteressen direkt in die parlamentarische Arbeit einfliessen, wo die Gesetze entstehen und beraten werden, dann werdet jetzt aktiv!


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