
Herzlichkeit statt Hard Skills: Warum echte Begegnungen unsere stärkste Zutat sind
Stellt Euch vor, Ihr sitzt in einem Restaurant. Das Essen ist wunderbar präsentiert, geschmackvoll und tadellos. Die Einrichtung sehr stilvoll, passend zum Angebot des Hauses. Der Service korrekt. Und trotzdem bleibt am Ende – nichts. Kein Lächeln. Keine emotionalen Momente. Kein Gefühl. Nur ein Teller, der leer ist. Genau das passiert, wenn wir vergessen, worum es in der Gastronomie wirklich geht: um echte, menschliche Begegnungen, um echte, herzliche Gastfreundschaft.
In einer meiner letzten Kolumnen habe ich über Digitalisierung, KI und neue Arbeitsmodelle gesprochen – als Chance, die Herausforderungen unserer Branche zu bewältigen. Und dazu stehe ich. Technologie kann unterstützen, entlasten und neue Wege öffnen. Aber eines darf sie nie: den Menschen ersetzen. Denn der Mensch ist das, was Gäste spüren – und was ihnen bleibt. Das Erlebnis.
Gastfreundschaft ist kein Extra – sie ist das Fundament
Die besten Tools nützen wenig, wenn sie lieblos und unüberlegt eingesetzt werden. Tablets am Tisch ersetzen keine echte Begrüssung. QR-Codes keine persönliche Empfehlung. Eine Software weiss nicht, welche Geschichten sich hinter den Namen der Stammgäste verbergen und auf was man im Zwischenmenschlichen heute unbedingt achten sollte? Gerade jetzt, wo viele Betriebe kämpfen – mit steigenden Kosten, Fachkräftemangel und Erwartungsdruck – ist der persönliche Kontakt kein Luxus, sondern Überlebensfaktor. Nähe schafft Bindung. Und Bindung ist krisensicherer als jeder digitale Touchpoint.
Sich zeigen heisst: präsent sein!
Wann haben wir aufgehört, uns zu zeigen? Wann wurde der Gang zum Tisch ersetzt durch ein schnelles «Läuft alles?» beim Vorbeihuschen? Dabei braucht es oft nicht viel – einen echten Blickkontakt, ein persönliches Wort. Mehr nicht. Und doch so viel.
Auch auf Branchenevents wie der Igeho zeigt sich: Trotz aller Tech-Themen suchen wir – und zwar alle – den direkten Austausch. Gespräche, echtes Feedback, Nähe. Der Hunger nach menschlicher Verbindung ist riesig. Wir sollten ihn stillen. Nicht nur aus nostalgischen Gründen. Sondern weil es unternehmerisch klug ist. Wer sich zeigt, wird sichtbar. Wer zuhört, wird verstanden. Wer Nähe schafft, wird erinnert. Ein Ohr für den Gast – und eins für den Gastgeber und das Team.
Gäste wollen nicht nur gehört, sondern auch verstanden werden. Und auch wir als Gastgeberinnen und Gastgeber brauchen Gehör. Für das, was wir leisten. Für die Herausforderungen, mit denen wir täglich jonglieren. Das Gespräch mit dem Gast darf wieder zweiseitig werden. Denn Gastfreundschaft ist keine Einbahnstrasse. Sie lebt vom Miteinander.
Technik ist ein Werkzeug. Der Mensch ist das Herz.
Ich bleibe überzeugt: KI, smarte Tools, Social Media – all das gehört zur Zukunft unserer Branche. Aber eben als Werkzeug. Nicht als Ersatz für das, was uns einzigartig macht. In einer Welt voller Automatisierung wird das Menschliche zur neuen Exklusivität. Der Gastgeber, der sich zeigt. Die Servicemitarbeitenden, die zuhören. Die Chefin/der Chef, die sichtbar sind. Der Moment, in dem wir aus «Kunde» wieder «Gast» machen.
Was bleibt – und was zählt
Jetzt im Dezember, wenn das Jahr zu Ende geht, ist vielleicht genau der richtige Moment, um sich daran zu erinnern, worauf es wirklich ankommt. Nicht nur auf Prozesse, sondern auf Präsenz. Nicht nur auf Effizienz, sondern auf Emotionen. Nicht nur auf Technologie – sondern auf Menschlichkeit. Denn der Mensch ist kein Relikt aus der Vergangenheit der Gastronomie. Er ist ihre Zukunft.
Kleiner und nicht zu unterschätzender Nebeneffekt ist: Bin ich mit meiner Gastgeberkultur im Sinne, wie beschrieben, mit meiner absolut persönlichen Note aufgestellt und lebe dies tagtäglich im Unternehmen, so sind meine Mitarbeitenden auch aus diesem Holz geschnitzt.
Sicherlich, jeder Mitarbeiter im Rahmen seiner Möglichkeiten, und es braucht auch hier immer wiederkehrendes Coaching. Auch ist ein Argument, dass die junge Generation zum Teil andere Wertvorstellungen hat. Doch glaube ich fest daran und erlebe es in unserem eigenen Unternehmen, dass die Mitarbeitenden es sehr schätzen, Teil dieser natürlichen Gastfreundschaft sein zu dürfen. Die Freude unserer Gäste zu spüren, gehört wesentlich zu unserem Erfolg.
Somit verlassen uns die Menschen nicht nur als Gäste mit den besten Erinnerungen an uns und ihren Aufenthalt; nein, auch unsere Mitarbeitenden tragen unsere Gastfreundschaft nach draussen. Das macht mich unheimlich stolz, und ich bin extrem dankbar, ein solch tolles Team im Rücken zu wissen. Und so wird es uns auch in Zukunft gelingen, dass sich Mitarbeitende bewerben, für die Mensch sein zu dürfen eine wichtige Grundlage ist – damit wir weiterhin kreativ, flexibel, nach vorn gerichtet und erfolgreich arbeiten können.
Mit würzigen Grüssen,
Euer Torsten Götz