
In einem Jahr rund um die Welt
Was erlebt man während einer einjährigen Weltreise durch 6 Kontinente, 40 Länder, über 134 Destinationen und Übernachtungen in rund 200 Hotels? Gastfreundschaft vom Feinsten. Sechs einfachste Tipps, wie man als Gastgeberin und Gastgeber mit kleinen Gesten eine grosse Wirkung und unvergessliche Erinnerungen schafft.
About: Claude Meier (47) war von Juli 2016 bis März 2023 Direktor des nationalen Branchenverbandes HotellerieSuisse. Danach reiste er ein Jahr lang um die Welt. Seit seiner Rückkehr absolviert der studierte Volkswirt an der renommierten London School of Economics and Political Science (LSE) in London die berufsbegleitende Weiterbildung zum Executive Master International Strategy and Diplomacy und sucht parallel dazu ein neues berufliches Betätigungsfeld.
1. Armenien, im Land der Steine und Kirchen
Anahit öffnet mir die Tür zum Garni-Hotel «Pallada» in der schmucken, armenischen Hauptstadt Jerewan. Meine Ankunftszeit hat die Hotelière im Voraus bei mir über WhatsApp erfragt. Diesen direkten, persönlichen Kontakt schätze ich. Er vermittelt mir Sicherheit. Das Check-in ist einfach und speditiv, auch wenn mir Anahit erläutert, dass sie die Abläufe noch testen: «Erst vor zwei Monaten haben wir den Betrieb mit lediglich fünf Zimmern eröffnet.» Die sympathische Hotelière bietet mir zur Begrüssung einen Tee an. Gerade das Richtige, um nach dem vierstündigen Flug in Armenien, dem ersten christianisierten Land dieser Welt und dem Ursprungsland der Aprikose, etwas zu entspannen.
Tipp 1
Herzlicher Empfang, erster Eindruck: Freundliche, aufmerksame Begrüssung beim Check-in, zum Beispiel ergänzt mit süssem lokalem Dessert, Früchten, Willkommensgetränk. Schnelles und unkompliziertes Check-in.

2. Aserbeidschan, im Land des Feuers
Freitagabend gegen 23 Uhr erreiche ich per Zug das Hotel «Old City» in Ganja im Westen Aserbaidschans. Der Rezeptionist Ulvi empfängt mich mit einem herzlichen «Hallo» auf Deutsch. Er arbeitet nachts im Hotel und tagsüber im Landwirtschaftsministerium. Wie mir Ulvi erklärt, haben viele Aserbeidschaner zwei Jobs, um die hohen Lebenshaltungskosten stemmen zu können. Nach seiner Nachtschicht und trotz Müdigkeit möchte mir Ulvi am folgenden Samstagmorgen seine Heimatstadt persönlich zeigen. Er führt mich quer durch die Stadt, kostenlos, ohne irgendwelche Verpflichtungen. Er sagt: «Der Kontakt mit Gästen aus dem Ausland gibt mir selbst Hoffnung auf eine bessere, freiere Welt.»
Tipp 2
Serviceorientierung und Aufmerksamkeit: Hilfsbereitschaft bei Fragen, Ausflugstipps und Problemen, Flexibilität bei Sonderwünschen.

3. Kirgisistan, im Land der Berge
Für zwei Nächte bin ich im familiengeführten Guest House «Arbat» im kirgisischen Tscholponata untergekommen. Die 29-jährige Altynai führt das Haus mit ihren Eltern in zweiter Generation. Sie selbst hat Betriebswirtschaft studiert, spricht neben Kirgisisch und Russisch auch perfekt Englisch. Sie fragt mich: «Wir machen jeden Samstagmorgen einen privaten Familien-Brunch mit einigen ausgewählten Gästen, da wir den Austausch mit Menschen aus anderen Kulturen sehr schätzen. Möchtest du dabei sein?» Ein einmaliges und unvergessliches Erlebnis. Das bergige Kirgisistan, ein wunderbares Land mit jahrhundertealter Nomadenkultur und einer Gastfreundschaft, die tief in der ländlichen Lebensweise verwurzelt ist.
Tipp 3
Wertschätzung und Respekt: Jeden Gast mit Respekt behandeln, unabhängig von Herkunft, Sprache und Budget. Ehrliches Interesse am Wohlbefinden der Gäste zeigen.

4. Kambodscha, im Land der alten Tempelwunder
Die beiden Schwestern Narah und Jee führen zusammen mit ihrem Bruder seit einigen Jahren die «Muni Residence» im kambodschanischen Battambang. Die beiden Hotelièren händigen mir ungefragt eine Stadtkarte mit Hinweisen zu den wesentlichsten lokalen Sehenswürdigkeiten wie Tempel oder Krokodilfarmen aus. Auch eine kleine Zusammenstellung nützlicher Worte in Kambodschanisch und Englisch geben sie mir ab, eine sympathische Geste. In meinem Zimmer finde ich zur Begrüssung ein paar handgeschriebene Zeilen. Am nächsten Morgen bringen mir die Beiden mit einem Lächeln im Gesicht eine selbstgebackene Reis-Süssspeise-Spezialität. Kambodscha, ein Land mit freundlichen Menschen, trotz schwieriger geschichtlicher Vergangenheit voller Wärme und Offenheit.
Tipp 4
Persönliche Note und kleine Gesten: Handgeschriebene Karte, kleine Aufmerksamkeiten auf dem Zimmer, Erinnerung an Stammgäste oder individuelle Vorlieben.

5. Costa Rica, im Land des Pura Vida
Damaris ist wie eine Mutter zu ihren Gästen im «La Casa de Mama Coyita» in Cartago, rund 20 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Costa Ricas. Die Gastgeberin ist in dem Haus mit sieben Geschwistern aufgewachsen, hat es dann übernommen und vor rund 20 Jahren zu einem Hostel umfunktioniert: «Es waren sehr gute Jahre, mit Ausnahme der Pandemie.» Die Einrichtung der grossen Wohnküche erinnert ein wenig an ein Puppenhaus, tausende kleine und kleinste Schauobjekte vermitteln eine ganz besondere Atmosphäre, irgendwie gemütlich. Zum guten Glück muss nicht ich hier reinigen und abstauben. Aber alles ist blitzsauber und gepflegt. Am frühen Morgen setzt sich Damaris an den grossen Küchentisch neben mich, giesst mir frischen Kaffee in die Tasse und diskutiert mit mir über die weltpolitische Lage. Pura Vida, das berühmte Lebensmotto der Costa Ricaner, das für Lebensfreude, Gelassenheit und Dankbarkeit steht.
Tipp 5
Sauberkeit und Komfort: Gepflegte Zimmer, hygienische Standards, Liebe zum Detail bei der Einrichtung und Atmos-phäre.

6. USA, im Land der Freiheit und Unabhängigkeit
Gregory arbeitet an der Rezeption des Hotels «Phoenix» im Tenderloin District von San Francisco. Fünf Nächte verbringe ich in diesem Haus mit Retro-Charme aus der Rock’n’Roll-Zeit. Gregory erklärt mir mit Freude: «Hier in San Francisco existiert ein einmaliger Geist. Diese Stadt verkörpert Werte wie das Einstehen für individuelle Freiheit, das Ermöglichen von Chancen, das Bestärken und Fördern von Kreativität, das Verschmelzen unterschiedlichster Kulturen.» Gregory ist weitbereist, hat berufsbedingt an verschiedenen Orten im Ausland gelebt, ist aber immer wieder gerne in seine Heimat zurückgekehrt. San Francisco gilt als liberalste und progressivste Stadt der USA. Und ich bin einfach dankbar für all die Erläuterungen von Gregory, der mir den speziellen Geist dieser Stadt vermittelt hat.
Tipp 6
Kulturelle Sensibilität: Verständnis für unterschiedliche kulturelle Erwartungen und Gewohnheiten, Kommunikation in verschiedenen Sprachen wenn möglich.
