Kein Zutritt wegen Kopftuch - rechtens?

26.08.2025
Gourmet 9/25
Artikel teilen

Darf die Gastwirtin Personen mit Kopfbedeckung den Zutritt zum Gastrolokal bzw. die Bewirtung verweigern?

Worum geht’s?

Eine muslimische Frau berichtete kürzlich in den sozialen Medien, ihr sei in Genf der Zutritt zu einer Bar verweigert worden, weil sie ein Kopftuch getragen habe. Die Betreiberin (*alle Gender mitgemeint) des Lokals verteidigt sich mit der intern gültigen Regel, wonach jede Art von Kopfbedeckung in ihrem Betrieb verboten sei.

Darf ein Gastrobetrieb Kopfbedeckungen generell verbieten?

Zwar ist ein patentierter Gastgewerbebetrieb ein «öffentlich zugängliches Lokal», doch verfügt die berechtigte Hauseigentümerin bzw. Mieterin weiterhin über das sogenannte «Hausrecht» (Art. 926 ZGB, Art. 186 StGB). Dieses schützt den eigenen Wohn- oder Gewerbebereich. Damit hat sie die Möglichkeit, zu bestimmen, wer berechtigt ist, diesen Bereich zu betreten. Allerdings muss die Ausübung des Hausrechts im Einzelfall angemessen und verhältnismässig sein. Durch die Befugnis des Zutrittsrechts können sich die Berechtigten gegen Personen schützen, die auf dem Gelände oder im Lokal unerwünscht sind. Mit anderen Worten: Die Gastwirtin kann grundsätzlich frei darüber bestimmen, wer sich im Lokal aufhalten darf beziehungsweise wen sie als Gast bewirten will. Nebst dem Zutritts- umfasst das Hausrecht aber beispielsweise auch Kleider- oder Altersvorschriften. So existieren nach wie vor Lokale, die für Herren eine Veston- und Kravattenpflicht kennen oder ein Flip-Flop-Verbot für Damen. Auch das Gebot «angemessene Kleidung» wie das Verbot von Badekleidern in Restaurants erregt keine Gemüter. Mithin sind auch Einschränkungen betreffend Kopfbe-deckungen erlaubt, insofern diese nicht diskriminierend sind.

Wann ist eine Zutrittsregel diskriminierend?

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Hausregel das Antirassismus-Gesetz (Art. 261bis StGB) verletzt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Gastrobetrieb Gäste explizit wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion oder wegen ihrer sexuellen Orientierung ausschliessen würde. Mit anderen Worten: Ein generelles Verbot von Kopfbedeckungen ist nicht ohne weiteres diskriminierend. Allerdings ist diese Frage im Alltag nicht immer leicht zu beantworten. Insbesondere existiert diesbezüglich bislang keine gefestigte Gerichtspraxis.

Geht das private Hausrecht vor der Religionsfreiheit?

Zwar ist Religionsfreiheit ein Grundrecht, auf das jeder Mensch Anspruch hat. Doch einfordern kann der Einzelne dieses Recht in erster Linie gegenüber dem Staat, nicht aber gegenüber anderen Menschen. Konkret muss eine Gastwirtin in ihrem Lokal einem Gast nicht die Ausübung seiner Religionsfreiheit er-möglichen. Allerdings darf die Gastwirtin nicht eine Religion speziell ausschliessen.

Gibt es denn die Bewirtungspflicht nicht mehr?

Die viel zitierte «Bewirtungspflicht», die sich noch lange in den Gastgewerbegesetzen der Kantone Aargau, Freiburg, Genf, Jura und Solothurn fand, hatte ihren Ursprung in Zeiten, in denen Restaurants und Beherbergungsbetriebe noch seltener waren. In neuerer Zeit bezieht sie sich vorwiegend auf gewisse Ausnahme- beziehungsweise Notsituationen des Gastes. Heute kann in der Regel niemand gezwungen werden, einen Bewirtungs- oder Beherbergungsvertrag abzuschliessen. Das gilt sowohl für den Gast als auch für die Gastwirtin. Meistens muss nämlich der abgewiesene Gast nicht zwingend die Dienste eines bestimmten Gastronomiebetriebes in Anspruch nehmen, weil sich mit grosser Wahrscheinlichkeit ein anderer Gastgewerbebetrieb in zumutbarer Nähe findet, sodass er die Wahl hat. Auch die Gastwirtin muss einen Gast – vorbehältlich der oben erwähnten Bewirtungspflicht – nicht bedienen, wenn sie mit ihm keinen Bewirtungsvertrag abschliessen will. Im Speziellen ist sie auch nicht verpflichtet, einzelne Teilleistungen ihres Angebots gratis zu erbringen, wenn sich beispielsweise ein Gast zur kalten Jahreszeit bloss in der geheizten Wirtsstube aufwärmen und bitte noch die Toiletten benutzen, aber nichts konsumieren will. Dies gilt ebenso für die hartnäckige Mär, jedermann habe in einem Gastrolokal Anspruch auf einen Sitzplatz, ein Glas Wasser und das Amtsblatt. Solche Teilleistungen darf sich die Gastwirtin – nota bene gegen Vorauskasse – vergüten lassen, muss sie doch ihre Betriebskosten wie Miete, Energierechnung und die Löhne ebenfalls berappen. Kurz gesagt kann die Gastwirtin Kunden abweisen, solange sie dabei nicht diskriminiert. Wer kennt das nicht, zum Beispiel vom Eventclub, wo der Türsteher entscheidet, wer zum Gäste-Mix passt.

Ende gut, alles gut

Die eingangs erwähnte Genfer Muslima kündigte via Social Media an, dass sie gegen den Gastronomiebetrieb wegen antimuslimischem Rassismus klagen werde. Die Empörung über diesen Vorfall verbreitete sich sofort im Netz. Etliche Posts berichteten von ähnlichen Erlebnissen im selben Lokal und untermauerten mit Fotos und Videos, dass sich darin auch Gäste mit Hüten oder Mützen aufhielten. Dies, obwohl das Lokal behauptet, ausnahmslos alle Kopfbedeckungen zu verbieten. Auf Anfrage der Medien erklärte der Gastrobetrieb, dass er nie beabsichtigt habe, jemanden zu diskriminieren. Vielmehr sei die Massnahme auf Wunsch von Gästen eingeführt worden, die sich «einen neutralen Raum ohne sichtbare religiöse Zeichen» gewünscht hätten. Inzwischen habe man diese interne Regelung wieder geändert. Auch hat sich der Betrieb bei der betroffenen Frau entschuldigt.

(Quellen: Philipp Schrämmli, SRF1 / Charlotte Frossard & Céline Argento, RTS, 17.07.2025)


Anzeige