Female Coach In Water Giving Group Of Children Swimming Lesson In Indoor Pool
Fehlende Schwimmstandorte für Schulen:

Können Hotels die Lücke füllen?

06.06.2025
Gourmet 6/25
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In Deutschland haben viele Kinder keinen Zugang zu Schwimmkursen. Deshalb startete das Crowne Plaza Düsseldorf-Neuss mit Swim2Grow ein Projekt, um Kindern Schwimmunterricht im Hotelbad zu ermöglichen. Grund genug für Gourmet, einen Blick in die Schweiz zu werfen: Wie ist die Situation hierzulande? Wir haben beim Dachverband der Lehrpersonen, bei der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG und in der Hotellerie nachgefragt.

In Deutschland fehlt es vielerorts an Schwimmmöglichkeiten, sodass viele Kinder nicht ausreichend schwimmen lernen. Um dem entgegenzuwirken, öffnete das Crowne Plaza Düsseldorf-Neuss sein Schwimmbad für Kinderschwimmkurse und ermöglicht so wohnortnahe Kurse ohne lange Anfahrtswege oder Wartezeiten aufgrund fehlender Wasserflächen. Ziel ist es, eine sichere Lernumgebung zu schaffen und gleichzeitig die lokale Gemeinschaft zu unterstützen. Andreas Martin, General Manager des Crowne Plaza Düsseldorf-Neuss, betont: «Schwimmen ist nicht nur eine unterhaltsame Aktivität, die die Entwicklung von Kindern fördert, sondern auch ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer Sicherheit und Gesundheit.»

Damit Hotelgäste ihren Aufenthalt ungestört geniessen können, finden die Schwimmkurse im Crowne Plaza Düsseldorf-Neuss zu Zeiten statt, die nicht mit dem regulären Hotelbetrieb kollidieren. So bleibt die Qualität des Gästeerlebnisses ebenso gewahrt wie eine konzentrierte Lernatmosphäre für die Kinder. Und in der Schweiz? Laut einer Studie der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG aus dem vergangenen Jahr erhalten 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler hierzulande keinen Schwimmunterricht, obwohl dieser im Lehrplan verankert ist. Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), bestätigt: «Es ist tatsächlich so, dass es für einige Regionen zu wenig Schwimmstandorte gibt, zu denen Schulen unkomplizierten Zugang haben. Viele Klassen sind jedoch kreativ und nehmen lange Wegstrecken auf sich, um den Kindern Schwimmunterricht anzubieten. Ein Beispiel ist, einmal im Monat einen Halbtag in einer Schwimmhalle zu verbringen.»

Ein weiterer Grund für den Mangel an Schwimmunterricht sind die zunehmenden Schliessungen von Schulhallenbädern aus finanziellen Gründen. Danach stehen Schulen vor der Herausforderung, alternative Standorte zu finden. Für Dagmar Rösler ist klar: «Ich finde die Idee mit den Hotel-Schwimmbädern prüfenswert.» Denn der Schwimmunterricht falle nicht aus Desinteresse aus, sondern weil es an geeigneter Infrastruktur und sicheren Rahmenbedingungen mangele.

Hotels unterstützen die Idee

Auch aus der Schweizer Hotellerie kommt Zustimmung zur Idee, Hotelbäder für den Schwimmunterricht zu öffnen. Leo Maissen, CEO of Hotel Operations der Tschuggen Collection, begrüsst das ausdrücklich: «Der Mangel an Schwimmschulstandorten ist ein ernstzunehmendes Problem – nicht nur in Deutschland, sondern auch in gewissen Regionen der Schweiz. Wenn Kinder nicht rechtzeitig schwimmen lernen, hat das weitreichende gesellschaftliche und sicherheitsrelevante Folgen.»

Leo Maissen erachtet eine Öffnung von Hotelbädern für schulische Zwecke vor allem in ländlichen oder infrastrukturell schwächer erschlossenen Gebieten als sinnvolle Möglichkeit. Die praktische Umsetzung hänge vom jeweiligen Hotelbetrieb ab. «Im Fünfsterne-Segment bestehen höhere Anforderungen an die Wellness- und Schwimmanlagen sowie an die Erwartungen der Gäste hinsichtlich Ruhe und Exklusivität, was eine parallele Nutzung durch externe Gruppen erschwert.»

Trotzdem sieht er Potenzial: «Wo räumlich und betrieblich möglich, erachten wir solche Kooperationen als unterstützens- und prüfenswert.» Angesichts des Mangels an öffentlichen Standorten brauche es pragmatische und partnerschaftliche Lösungen, um Kindern frühzeitig den Zugang zum Schwimmenlernen zu ermöglichen.

Das bestätigt Carole Hauser, Direktorin des Belvedere Swiss Quality Hotels in Grindelwald: «Sollte es in der Region zu einer Knappheit an Schwimmbädern kommen und eine Schule den Wunsch äussern, bei uns Schwimmunterricht durchzuführen, wären wir offen für einen konstruktiven Dialog, um gemeinsam eine Lösung zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der Schulen als auch jenen unserer Hotelgäste gerecht wird.» Es sei ihr ein Anliegen, dass jedes Kind die Möglichkeit erhalte, sicher schwimmen zu lernen. «Und wenn wir als lokal verankertes Hotel dazu beitragen können, ist das für uns selbstverständlich.»

Konkrete Erfahrungen mit externen Kursen hat Claudia Züllig-Landolt, Gastgeberin im Hotel Schweizerhof in Lenzerheide, bereits gesammelt: «Wir haben in der Vergangenheit schon Baby-Schwimmkurse angeboten, denn unser Hotelschwimmbad hat eine Temperatur von 32 Grad und ist daher für Babys geeignet, aber nicht für den Schwimmunterricht – dafür muss das Wasser kühler sein.» Für die Babyschwimmkurse wurde die Wassertemperatur sogar kurzzeitig auf 34 Grad erhöht. Die Kurse richteten sich in der Vergangenheit auch an einheimische Familien und die Kinder von Mitarbeitenden. «Aktuell haben wir jedoch kein Angebot.»

Offene Gewässer als Ergänzung

Auch die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) sieht in Hotelbädern grundsätzlich potenzielle Lernorte. «Für uns spricht nichts gegen Schwimm- und Wassersicherheitsunterricht in Hotelbetrieben, sofern diese über die entsprechenden Kapazitäten verfügen», erklärt Christoph Merki, Mediensprecher der SLRG. Allerdings würde dies das Problem fehlender Wasserflächen nur punktuell entschärfen, etwa in touristischen Regionen mit entsprechenden Hotelangeboten.

In urbanen Gebieten bestehe eigentlich eine ausreichende In-frastruktur «Problematisch ist die Lage vor allem in ländlichen Regionen, wo es an geeigneten Hallen- oder Freibädern mangelt – besonders während der Wintermonate», so Christoph Merki, der wie Dagmar Rösler auf logistische Hürden hinweist: «Für manche Schulen ist es schwierig, den praktischen Schwimmunterricht regelmässig einzuplanen, da der Anreiseweg relativ weit ist bis zum nächsten Hallenbad.»

Als ergänzende Lösung bringt die SLRG daher offene Gewässer ins Spiel. In den wärmeren Monaten könnten Seen zusätzliche Wasserflächen für den Unterricht bieten. Eine Elternumfrage der SLRG zeigt: «Rund zwei Drittel der befragten Eltern stehen dieser Idee offen gegenüber. Hinzu kommt, dass Kinder im Unterricht in offenen Gewässern zusätzliche Aspekte lernen. Gemäss Studien lassen sich die Schwimmkompetenzen aus dem Schwimmbad nämlich nicht direkt auf offene Gewässer übertragen», so Christoph Merki. Aus diesem Grund befürworte man den Unterricht in offenen Gewässern nicht nur als kurzfristige Entlastung, sondern auch aus pädagogischen Gründen.

Die Nutzung offener Gewässer als zusätzliche Lernorte ist jedoch umstritten. Dagmar Rösler äussert sich skeptisch: «Die Sache mit den Seen finde ich eher schwierig: Erstens können sie nur im Sommer genutzt werden, und dafür gibt es auch Freibäder. Zweitens ist es aus Sicherheitsgründen sehr schwierig, mit Klassen in Seen das Schwimmen zu erlernen. Der Überblick ist schlecht, man sieht nicht auf den Grund und plötzlich wird der See tief.»

Die Verantwortung der Lehrpersonen sei bereits im Hallenbad hoch. Dagmar Rösler verweist dabei auf den Leitfaden des LCH zur rechtlichen Verantwortlichkeit. Ein Kapitel widmet sich dem Schwimmunterricht und enthält verbindliche SLRG-Richtlinien zu Gruppengrössen und Qualifikationen der Aufsichtspersonen (siehe Tabelle). «In der Praxis zeigt sich da rasch eine Herausforderung: Viele Schulklassen bestehen aus mehr als 20 Kindern. Das erschwert die Umsetzung bereits im Hallenbad ohne zusätzliche, qualifizierte Begleitpersonen.»

Fazit

Die Idee, Hotelbäder für den schulischen Schwimmunterricht zu öffnen, hat Potenzial – insbesondere in Regionen, in denen es an öffentlicher Infrastruktur fehlt. Voraussetzungen sind jedoch klare Absprachen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen Schulen und Hotellerie. Offene Gewässer können in den Sommermonaten eine Ergänzung darstellen, sind aber mit hohen Anforderungen an Sicherheit und Aufsicht verbunden. Und letztlich tragen auch die Eltern eine Verantwortung, indem sie ihre Kinder für zusätzliche Schwimmkurse anmelden oder gemeinsam mit ihnen Hallen- oder Freibäder besuchen. Denn wie in vielen Bereichen beruht auch der Erwerb von Schwimmkompetenzen auf einem Zusammenspiel zwischen Schule und Elternhaus. «Und mit rund 150 Schwimmschulen, die an circa 300 Standorten unterrichten ist die Schweiz diesbezüglich recht gut abgedeckt», sagt Christoph Merki abschliessend.


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