
Kreislaufwirtschaft in der Küche: Ein Blick auf Reduce und ReUse
Wie lässt sich Kreislaufwirtschaft mit ihren vier Prinzipien Reduce, ReUse, Recycle und Recover in der Gastronomie konkret umsetzen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Culina-Roundtables bei der Gehrig Group in Glattbrugg. Vertreter aus Planung, Küchenpraxis und Geräteherstellung diskutierten in einer ersten Runde über Reduce und ReUse, also den bewussten Umgang mit Ressourcen und die Wiederverwendung bestehender Systeme. Fortsetzung folgt.
Stephan Frech: Welche Rolle spielt das Thema Kreislaufwirtschaft bei euren Kundinnen und Kunden heute bereits?
Marcel Bischofberger: In der Küche zeigt sich das Thema häufig beim Reduzieren von Food-Waste: weniger produzieren oder mit gleichen Ressourcen mehr produzieren, oft unterstützt durch Tools wie Kitro. Und auch Recycling ist längst Alltag.
Sascha Hofer: Hier ist auch der Generationenwechsel spürbar: Jüngere Gastgeber setzen auf schlankere Menüs und klarere Gästeführung. Das schafft Effizienz und senkt Food Waste. Gleichzeitig verändert sich das Publikum, viele entscheiden zunehmend nach Nachhaltigkeitskriterien.
Bruno Ulrich: Dieser Trend ist nicht mehr zu stoppen. In wenigen Jahren wird deutlich sichtbar sein, wie stark Nachhaltigkeit das Buchungsverhalten bestimmt.
Walter Knup: Spannend finde ich, wie schnell Diskussionen um Kreislaufwirtschaft beim Food Waste landen. In grossen Betrieben ist dieses Potenzial praktisch ausgeschöpft. Heute liegt der Hebel vor allem beim Verhalten der Mitarbeitenden.
Daniel Scheidegger: Genau, der Preisdruck lässt Food Waste gar nicht mehr zu. Dieses Thema ist eigentlich weitgehend erledigt.
Alex Freiburghaus: Gleichzeitig darf man die Kleingastronomie nicht vergessen: Dort wirkt sich jeder Verlust aufs Portemonnaie aus, während Investitionen hinausgezögert werden, obwohl sich effiziente Geräte schnell rechnen. Gerade kleine Betriebe brauchen Unterstützung, um ihr Kreislaufpotenzial zu nutzen.
Sascha Stampfli: Trotz Green-Steel-Varianten mit nur geringem Aufpreis ist die Bereitschaft vieler Betriebe noch verhalten – ein Zeichen dafür, dass CO₂-Reduktion im Sinne von Reduce in vielen Unternehmen noch nicht prioritär ist und sich dieses Bewusstsein erst entwickelt.
Sascha Hofer: Auch wenn es nicht immer wirtschaftlich ist: Wir ersetzen Induktionsgeneratoren und lassen die alten reparieren, obwohl ein Neugerät günstiger wäre. Entscheidend ist für uns die Haltung, funktionierende Technik nicht einfach zu entsorgen.
Bruno Ulrich: Das ist auch richtig so, denn wir können vom Kunden keine Nachhaltigkeit erwarten, wenn wir sie selbst nicht leben. Darum revidieren auch wir Geräte, setzen Bestehendes instand und bieten parallel Neues an. So kommt der Kreislauf in Bewegung und wir zeigen durch unser eigenes Handeln, was möglich ist.
Rolf Andres: Das Beispiel des Induktionsgenerators zeigt aber auch ein grundsätzliches Problem: Eine Revision kostet oft mehr als ein Neukauf, weil Serienproduktion effizient ist, während Wiederaufbereitung viel Handarbeit erfordert. Darum braucht es Modelle wie bei der Gehrig Group, die gezielt Strukturen für die Aufbereitung schafft. So wird Kreislaufwirtschaft konkret und Reparaturen werden wirtschaftlich.
Daniel Scheidegger: Genau, Nachhaltigkeit muss attraktiv und bezahlbar sein, sonst setzt sie kaum jemand um. Das zeigt auch unsere Umfrage bei grossen Gastronomiebetrieben: Service steht klar an erster Stelle, gefolgt von Kosten und Qualität. Nachhaltigkeit und Innovation stehen am Schluss.
Bruno Ulrich: Aber ist Nachhaltigkeit nicht Teil des Service? Wenn wir Geräte revidieren, pflegen und instandhalten und so ihre Lebenszyklen verlängern, ist das äusserst nachhaltig.
Daniel Scheidegger: Das sehe ich auch so. Beim Reduce, der ersten Säule der Kreislaufwirtschaft, ist der Service ein Schlüsselfaktor. Nur wenn Geräte richtig genutzt und regelmässig gewartet werden, bleiben sie langlebig und hochwertig.
Edouard Parlier: Allerdings sind unnötige Wartungen, zu früh ersetzte Teile und zusätzliche Transportwege auch nicht nachhaltig. Hier unterstützen vernetzte Steuerungen, indem sie zeigen, wann ein Service fällig ist.
Alex Freiburghaus: Vieles beginnt ja bereits beim Produktdesign: Wie ein Gerät konstruiert ist und wie gut man für Wartungen an zentrale Teile gelangt. Und auch die Planung ist entscheidend: Setze ich auf einen durchgehenden Herdblock oder auf ein modulares System? Mit Modulen kann man später einzelne Elemente ersetzen, statt den ganzen Herd auszutauschen.
Manfred Möckli: Genau, modulare Plug&Play-Systeme bieten grosse Chancen. Geräte oder Komponenten lassen sich einfach austauschen, erweitern oder aufrüsten.
Sascha Hofer: Ein zentraler Punkt ist dabei aber die Ersatzteilverfügbarkeit. Wir halten Ersatzteile rund zehn Jahre nach Ablauf der Garantie vor, andere nur fünf. Damit ist ReUse oft gar nicht mehr möglich.
Stephan Frech: Wie wirken sich neue Miet- und Leasingmodelle auf die Kreislaufwirtschaft aus und welche Anforderungen entstehen dadurch für die Hersteller?
Alex Freiburghaus: Sie schaffen Flexibilität, werfen aber neue Fragen auf: Mit welcher Garantie werden reparierte Geräte weiterverkauft und nach welchen Standards? Genau hier könnte Culina eine Pionierrolle übernehmen, zum Beispiel mit klar definierten Kriterien oder einem eigenen Label für werkrevidierte Geräte.
Sascha Hofer: Ein weiterer Faktor ist der Vertriebsweg. Beim Endkunden lässt sich der Mehrwert eines gebrauchten Geräts gut erklären, im Handel ist das deutlich anspruchsvoller. Händler lassen sich nur schwer überzeugen, besonders wenn der Preis nahe am Neugerät liegt.
Edouard Parlier: Wir bieten ein Mietmodell speziell für Saisonbetriebe und zwar mit revidierten Orangenpressen. Bezahlt wird nur in der Hochsaison, wenn die Geräte im Einsatz sind; in der Nebensaison stehen sie kostenfrei still. Dieses Modell funktioniert sehr gut.
Daniel Scheidegger: Und wir nutzen zwei Modelle: den klassischen Service- und Ersatzteilansatz mit Wartungsverträgen über zehn bis zwölf Jahre und das All-Inclusive-Rent. Dabei werden Geräte vermietet, gewartet, zurückgenommen und nach der Revision erneut eingesetzt. Das ist echte Kreislaufwirtschaft. Die Wiederverwendungsquote liegt aktuell im niedrigen zweistelligen Bereich und soll weiter steigen.
Stephan Frech: Wie wird das finanziert?
Marcel Bischofberger: Wir kaufen das Gerät, während die laufende Miete die Kosten schrittweise deckt. Je nach Bonität kann ein zusätzlicher Deckungsbeitrag erforderlich sein, um die wirtschaftliche Sicherheit zu stärken. Der zentrale Vorteil liegt im versicherten Service: Präventive und kurative Reparaturen sind eingeschlossen und sorgen bei den Betrieben für planbare Kosten. Am Ende der Laufzeit kann das Gerät übernommen werden oder wir nehmen es zurück.
Manfred Möckli: Ein spannender Ansatz, besonders für kleinere Betriebe ohne grosses Startbudget. Das Miet- und ReUse-Modell ermöglicht modernen Technikzugang zu fixen Monatskosten.
Stephan Frech: Würdest du mieten, Walter?
Walter Knup: Das mache ich bereits, aber aus anderen Gründen. Statt einmal grosse Summen bewilligen zu lassen, kann ich fixe Mietraten eigenständig in mein Budget nehmen. Bei Betreiberwechseln oder neuen Konzepten kann ich das Gerät ausserdem zurückgeben und etwas anderes mieten. So bleibe ich flexibel und kann besser planen.
Alex Freiburghaus: Ich kenne mehrere Händler, die Geräte übernehmen und revidieren, wenn Küchen umgebaut oder liquidiert werden. Sie machen das teilweise sehr erfolgreich, mit der Herausforderung zwar, dass viele Geräte unterschiedlicher Hersteller zusammenkommen.
Walter Knup: Ein gutes Stichwort: Ich sehe jedes Jahr viele Küchen. Und oft wirken diese wie eine kleine Igeho: alles ist vorhanden. Würde hier nach Nutzung oder Betriebsstunden gerechnet, gäbe es sicher weniger Geräte und damit auch weniger Reinigungs- und Schulungsaufwand, dafür eine bessere Auslastung dessen, was wirklich gebraucht wird.
Daniel Scheidegger: Ein spannender Ansatz: Eingesetzt wird nur, was zum aktuellen Konzept passt. Ändert sich dieses, sollten Geräte unkompliziert in ein Refurbish-Programm überführt werden können, zum Beispiel mit einem Zertifikat nach Culina-Standard, wie von Alex angedacht. So liesse sich ein Konzeptwechsel viel flexibler gestalten.
Walter Knup: Genau. Ich sehe das bei uns, wir betreiben fünf Küchen und die Anforderungen ändern sich laufend. Ideal wäre es, Geräte standortübergreifend zu nutzen, unabhängig davon, ob neu oder gebraucht. Das würde Planungsrisiken reduzieren und auch zu den veränderten Essgewohnheiten passen. Denn Lieferdienste wie Uber Eats sind bei uns längst Realität. Vielleicht werden künftig also Konfektions- statt Produktionsküchen gebaut, die als logistische Drehscheibe fungieren: Mahlzeiten aus verschiedenen Quellen werden angenommen, ergänzt und zeitgenau verteilt.
Sascha Hofer: Das bringt aber neue Herausforderungen mit sich. Wenn externe Anbieter oder Kurierdienste Essen liefern, stellt sich sofort die Verantwortungsfrage: Wer garantiert Kühlkette, Hygiene und die korrekte Deklaration? Und wer haftet, wenn etwas passiert?
Stephan Frech: Wenn wir von Flexibilität sprechen, stellt sich auch die Frage, wie sich bestehende Technik neu denken oder kombinieren lässt, im Kern also, wie viel Multifunktionalität ist möglich oder bereits üblich.
Sascha Hofer: Multifunktionalität wird tatsächlich immer wichtiger, auch, weil der Gastraum mehr Wert hat als die Küche. Deshalb werden Geräte heute bewusst vielseitig ausgelegt: ein Grill, der als Kochfläche dient, Backgeräte mit Zusatzfunktionen oder der Hold-o-Mat, der als Nachtgarer genutzt wird.
Walter Knup: Das ist so, multifunktionale Geräte sparen Fläche, die auch bei uns eher für Patientenbereiche als für Rückzonen gebraucht wird. Aus meiner Sicht braucht es klare Konzepte: Was wird produziert, welche Geräte sind nötig, wie werden sie beschafft und wieder abgegeben, wenn sich das Konzept ändert? Und das entscheidet nicht der Koch.
Bruno Ulrich: Mit unseren Thermoports lassen sich Buffets modular aufbauen und erweitern, man kann damit sogar direkt ausgeben. Die Technik ist also nicht das Problem. Die Herausforderung liegt vielmehr im Umgang: Oft stehen Geräte ungenutzt herum, weil das Personal nicht eingewiesen wurde oder den Nutzen nicht erkennt. Entscheidend ist deshalb: Wann holt man das Personal ins Boot und wie stellt man sicher, dass es die Möglichkeiten versteht und nutzt?
Edouard Parlier: Es braucht Produktions- und Qualitätsvorgaben, wie man sie aus Retail-Küchen, Spitälern oder der Gemeinschaftsgastronomie kennt. Sie schaffen Sicherheit und Effizienz. Moderne digitale Steuerungen unterstützen genau das.
Sascha Hofer: Dazu ist aber eine klare Führung entscheidend. Heute hat der Küchenchef häufig zu viel Einfluss und das bereits in der Planungsphase.
Manfred Möckli: Ich beobachte aber auch, dass Köche zu Planungsrunden geladen und mit technischen Plänen konfrontiert werden, die sie kaum beurteilen können, weil niemand die Verantwortung übernehmen will. Eine Küchenplanung benötigt ein klar definiertes Betriebskonzept und zwar von der Bauherrschaft. Allerdings planen wir gerade in der Personalgastronomie viele Küchen, die erst Jahre später in Betrieb gehen. Das macht die Planung anspruchsvoll.
Walter Knup: Darum braucht es Mut, alte Denkmuster zu verlassen. Die Küche der Zukunft wird anders aussehen als jene, die jemand seit 40 Jahren kennt. Und man darf nicht vergessen: Geräte bleiben oft länger im Einsatz, als Mitarbeitende im Betrieb bleiben.
Edouard Parlier: Vieles lässt sich ja digital abdecken: Remote-Support, kurze Videoanleitungen oder Tutorials direkt am Gerät. Ein integriertes Display mit Schritt-für-Schritt-Hilfen wäre der nächste logische Schritt.
Alex Freiburghaus: Das Problem beginnt bereits in der Ausbildung. Lehrmittel hinken der Praxis hinterher, während sich Technologien rasant weiterentwickeln. Als wir den Heisskühlschrank auf den Markt brachten, reagierten viele Küchenchefs ratlos, weil die Innovation nicht zu ihrem Denken passte. Die Frage bleibt: Wie bringt man neue Technologien wirklich zu den Anwendern?
Manfred Möckli: Man darf das nicht zu streng sehen. Wissen konsequent zu verankern und anzuwenden, gelingt fast nur grossen Ketten. Und wie beim Smartphone nutzt auch in der Küche kaum jemand das volle Potenzial eines multifunktionalen Geräts. Ich bin schon zufrieden, wenn nach einem Jahr rund 70 Prozent stabil laufen, das Essen stimmt, der Bauherr überzeugt ist und das Team gern dort arbeitet. Ein gewisser Spielraum braucht es, da die Gastronomie auch kreativ und emotional ist.
Stephan Frech: Zurück zum Thema Kreislaufwirtschaft: Wie viele eurer Produkte werden heute wirklich wiederverwendet oder auf- bereitet statt entsorgt?
Sascha Stampfli: Bei uns gelangt ein Grossteil der Geräte ins Recycling. Das gehört zwar zur Kreislaufwirtschaft, ist jedoch kein ReUse. Eine echte Wiederverwendung ganzer Geräte findet bislang selten statt. Einzelne elektronische Komponenten ersetzen wir gelegentlich und die Betreiber nutzen die Geräte dann weiter. Insgesamt sind unsere Geräte dank ihres hohen Chromstahl-Anteils sehr langlebig und genau diese Robustheit ist der erste Schritt zu echter Nachhaltigkeit.
Bruno Ulrich: Elektronik und Heizungen reparieren wir regelmässig oder ersetzen einzelne Teile. Unser modularer Aufbau ermöglicht es zudem, Scharniere, Griffe, Schrauben oder einzelne Gehäuseteile zu tauschen oder instand zu setzen. Nur wenn ein Gerät wirklich komplett defekt ist, geht es ins Recycling. Der Chromstahl selbst hält – wie Sascha Stampfli sagt – nahezu ewig; unbrauchbar wird er nur durch falsche Pflege, etwa wenn ein Bain-Marie mit Essig entkalkt wird.
Stephan Frech: Abschliessend die Frage, wie lässt sich die Zusammenarbeit für mehr Kreislaufwirtschaft in der Schweiz stärken, zwischen Planung, Zulieferern und Betreibern?
Manfred Möckli: Ich finde, wir machen in der Schweiz bereits einen guten Job. Die Projekte sind aber immer unterschiedlich, und ein Modell passt nie für alle. Miete wird zum Beispiel schwierig, wenn der Bauherr kauft und der Mieter die Unterhaltskosten trägt. Entscheidend ist die Kommunikation: Wenn alle miteinander reden, entstehen gute, tragfähige Modelle. Die Mietoption ist dabei ein wichtiges Instrument. Insgesamt sind wir also auf einem guten Weg.
Sascha Hofer: Ich finde auch, am Ende braucht es vor allem den Austausch. Planung, Zulieferer und Betreiber müssen gemeinsam an den Tisch, da Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit eng verknüpft sind. Doch solange es keine verbindlichen Vorgaben gibt, setzt sich oft die Wirtschaftlichkeit durch: Wer Nachhaltigkeit ernst nimmt, investiert; andere machen nur das Minimum. Wichtig sind Offenheit und die Bereitschaft der Unternehmen, sich wirklich auf das Thema Nachhaltigkeit einzulassen.