
Perspektiven für Gastgewerbe, Wirtschaft und Gesellschaft
Nach einem Jahr als Präsident von GastroSuisse zieht Beat Imhof Bilanz. Er betont, wie wichtig es ist, junge Menschen für das Gastgewerbe zu begeistern und erinnert gleichzeitig daran, dass die Schweiz ihren Wohlstand einer liberalen Wirtschaft verdankt. Damit das so bleibt, brauche es gesunde Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und Verantwortung für ihre Mitarbeitenden übernehmen. GastroSuisse setzt sich deshalb weiterhin für unternehmerische Freiheiten, faire Rahmenbedingungen und eine Politik ein, die Branche, Mitglieder und Gäste stärkt.
«Am 1. Juli 2025 war mein erster Jahrestag als Präsident von GastroSuisse. Ich übe dieses Amt mit grosser Freude, viel Energie und Leidenschaft aus. Ich bin stolz, unsere Branche nach aussen zu vertreten, den Mitgliedern zuzuhören und unsere Massnahmen an ihren Bedürfnissen und Herausforderungen auszurichten. Daraus lassen sich zwei zentrale Aufgaben des Verbands ableiten: das Ansehen unserer Branche zu stärken und die Rahmenbedingungen für unsere Mitglieder positiv zu gestalten. Dabei kann ich mich auf unseren engagierten Vorstand, die dynamische Geschäftsleitung sowie rund 70 hochmotivierte Mitarbeitende an der Geschäftsstelle in Zürich-Affoltern und am Sitz der Romandie in Pully stützen.
Unsere Branche steht vor grossen Herausforderungen und vielschichtigen Aufgaben. Der Arbeitsmarkt hat sich stark verändert, und die demografische Entwicklung der kommenden Jahre wird diese Problematik noch verschärfen. Gleichzeitig fällt es unseren Mitgliedern zunehmend schwer, unter dem Strich rentabel zu arbeiten. Steigende Betriebskosten drücken auf die Margen. Der durchschnittliche Gewinn liegt bei lediglich rund einem Prozent. Es gibt also viel zu tun!
Das Ansehen unserer Branche ist oft schlechter, als es der Realität entspricht. Dabei bietet sie enormes Entwicklungspotenzial.
Von sinnstiftenden Aufgaben und nervösen Eltern…
Was läuft in unserer Branche schief, dass Lehrpersonen guten Schülerinnen und Schülern von einer Ausbildung in der Gastronomie abraten? Warum reagieren viele Eltern nervös, wenn ihre Kinder eine Lehre in unserem Berufsfeld anstreben? Und weshalb empfehlen Berufsberaterinnen und Berufsberater Gastro-Berufe oft nur als Plan B?
Warum ist das so? In den gastronomischen Ausbildungen lernt man weit mehr als nur einen Beruf. Man trainiert den Umgang mit Menschen im Team – Gastronomie ist Teamsport auf höchstem Niveau. Man übt, mit herzlichen wie auch mit schwierigen Gästen umzugehen, zu beraten und zu verkaufen. Man lernt, Stress und Zeitdruck zu meistern und lösungsorientiert zu handeln. Kochen wird zur Lebensaufgabe: Es ermöglicht, Menschen zu verwöhnen, Glücksmomente zu schaffen und zugleich die eigene Gesundheit positiv zu beeinflussen. Dazu kommen umfassende Produktkenntnisse, die ein Bewusstsein schaffen, Zusammenhänge verdeutlichen und nachhaltiges Denken fördern. Kurz: Man erlernt Fähigkeiten, die ein Leben lang nützlich sind – im Beruf wie im Alltag.
Ja, unser Berufsalltag ist oft hektisch und fordernd. Doch die Zeiten der schreienden Küchenchefs sind vorbei. Betriebe, die nicht zu ihren Mitarbeitenden schauen, haben keine Zukunft und das ist gut so. Auch die klassische Zimmerstunde verschwindet zunehmend. Stattdessen bietet es Vorteile, wenn der Arbeitstag erst am Nachmittag beginnt.
Das Ansehen unserer Branche ist oft schlechter, als es der Realität entspricht. Dabei bietet sie enormes Entwicklungspotenzial. Die Karriereleiter steht offen, mit Chancen, Führungserfahrung zu sammeln und den Lohn zu verbessern.
Unsere Berufe erfüllen zentrale Bedürfnisse: Wir gestalten den sozialen Alltag der Menschen. Wir begleiten das erste Date ebenso wie das Familienessen, Business-Anlässe bis hin zum Leidmahl. Wir sind die Antithese zu Social Media, sorgen für reale Begegnungen, Meinungsbildung, Genuss und Freude. Wir sind gesellschaftsrelevant und die Arbeiten bei uns sind sinnstiftend!
Es gibt aber auch positive Tendenzen: In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl junger Menschen, die sich für unsere Branche entscheiden, wieder gestiegen. Im Beruf Koch/Köchin EFZ verzeichneten wir 2024 gegenüber 2022 ein Plus von 7,7 Prozent bei den Lehreintritten. Und im noch jungen Beruf Hotelkommunikationsfachfrau/-mann lag das Wachstum sogar bei 36,8 Prozent.
Und klar, es gibt viele, die unseren Berufen mit Freude und Leidenschaft treu bleiben, sich prächtig weiterentwickeln und perfekte Botschafterinnen und Botschafter unserer Branche sind.
Kochen in der Grundschule
Eine weitere grosse Veränderung prägt die Berufswahl: Viele Kinder wachsen heute in Haushalten auf, in denen kaum noch gekocht, geschweige denn gemeinsam gegessen wird. Wie soll da Begeisterung für unsere Berufe und für die Kultur des Essens und Trinkens entstehen?
Ich plädiere deshalb für mehr Kochunterricht in der Grundschule! Selbstverständlich sind Mathe, Sprachen und all die anderen Fächer auch wichtig, aber manchmal geht vor lauter Algebra-Formeln und Frühenglisch das wahre Leben im Unterricht verloren. Solides, praktisches Wissen über Ernährung, Produkte und Kochen ist relevant. Und KI wird noch lange nicht kochen können.
Es liegt an uns, das Image unserer Branche aktiv zu prägen, unsere Berufe zu feiern, sichtbar zu machen und neben all den Fernsehkochshows positiv zu positionieren.
Was kann der Verband tun, um diese Herkulesaufgabe zu meistern?
Wir wollen die Stärke unserer rund 20 000 Mitglieder bündeln und in gemeinsame Kraft wandeln. Mit transparenten Strategien und klaren Zielen sorgen wir zusammen mit den Kantonalverbänden dafür, dass wir alle Segel in die gleiche Richtung setzen können. Gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam setzen wir alles daran, unsere Berufe und unser Handwerk attraktiver zu machen.
Es geht also auch darum, unsere Mitglieder zu mobilisieren, beispielsweise mit der Initiative «Avanti». Wir zeigen in kurzen, emotionalen Videos, welche Begeisterung unsere Berufe auslösen können. Gleichzeitig erzählen junge Menschen, warum sie es lieben, in der Gastronomie zu arbeiten. Damit diese Botschaft ankommt, sind wir alle gefordert: zu teilen, zu kommentieren und eigene Inhalte beizutragen.
Wir wollen die Stärke unserer rund 20 000 Mitglieder bündeln und in gemeinsame Kraft wandeln.
Ebenso wichtig ist es, gut zu unseren Mitarbeitenden zu schauen: ihnen Perspektiven aufzuzeigen, sie in Entscheidungen einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass es ihnen in unserer anspruchsvollen Branche gut geht – und dass sie bleiben. Dazu tragen wir auch mit einem vielseitigen Weiterbildungsprogramm bei, zum Beispiel für junge Führungskräfte.
Um Lernende noch bewusster und zielgerichteter auszubilden, empfehlen wir unseren Mitgliedern die Zertifizierung als «Top-Ausbildungsbetrieb». Sie erhöht die Attraktivität eines Betriebs, erleichtert die Gewinnung guter Lernender und unterstützt die Ausbildner in ihrer Aufgabe. Gleichzeitig hilft sie, unnötige Lehrabbrüche zu vermeiden.
Nicht zuletzt prägt auch die verbandsübergreifende Zusammenarbeit das Image unserer Berufe. Gemeinsam mit HotellerieSuisse und der Hotel&Gastro Union gilt es, Kräfte zu bündeln und die Branche geschlossen zu vertreten.
Diese Aufgaben zu meistern, ist entscheidend, um den guten internationalen Ruf unserer Branche zu bewahren. Das gelingt nicht mit ein, zwei Image-Kampagnen, das ist eine langfristige Herkulesaufgabe.
Gastronomie wird zum Luxusgut
Eine weitere grosse Herausforderung für unsere Mitglieder ist die Rentabilität: Es wird zunehmend schwieriger, unter dem Strich Geld zu verdienen. Einkaufspreise steigen in allen Bereichen, die Löhne klettern aufgrund des Fach- und Arbeitskräftemangels, und immer mehr administrative Vorgaben belasten vor allem kleine und mittlere Betriebe massiv.
Was uns aktuell grosse Sorgen macht, ist der ausufernde Ausbau des Sozialstaates. Es sind viele einzelne politische Vorstösse im Parlament, welche alle wunderbar klingen und den Bürgerinnen und Bürgern viel versprechen, aber einfach kaum zu finanzieren sind.
Selbstverständlich gilt es, den Volksentscheid zur 13. AHV-Rente umzusetzen. Wir wehren uns jedoch entschieden dagegen, dass die Finanzierung hauptsächlich über Lohnabgaben erfolgen soll. Sogar eine Besteuerung des Trinkgelds wird ernsthaft diskutiert, um damit das AHV-Loch zu stopfen. Das ist nicht akzeptabel. Statt Ehepaar-Plafonds aufzuheben und den Betrieben weitere Mehrkosten aufzubürden, braucht es umfassende strukturelle Reformen, die unsere Branche entlasten.
Ein weiteres Beispiel ist der Gegenvorschlag zur Kita-Initiative: Die Finanzierung soll ausschliesslich über die Familienausgleichskasse, sprich durch die Arbeitgebenden, erfolgen. Dabei spielt nicht einmal das Arbeitspensum eine Rolle, ob Kitakosten übernommen werden. So wird erneut mit der Giesskanne Geld verteilt – auf Kosten der Unternehmen.
Als wäre das nicht genug, steht auch noch ein Ausbau von Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub im Raum, ohne klare Finanzierung. Selbst in Bern scheint unklar, welche Folgen das am Ende hat. Klar ist: Mit Blick auf die demografische Entwicklung kann die Last nicht in erster Linie von der arbeitenden Bevölkerung und insbesondere vom Mittelstand getragen werden.
Arbeit wird dadurch verteuert. Am stärksten belastet werden die Betriebe und die arbeitende Bevölkerung, insbesondere jene, die Vollzeit im Einsatz stehen. Für unsere Branche mit ohnehin tiefen Margen bedeutet das: noch weniger Spielraum für Lohnerhöhungen und noch höhere Preise im Restaurant. Die Gastronomie droht, zum Luxusgut zu werden, und das kann weder im Interesse der Gewerkschaften noch der Politik sein!
Unsere Branche ist agil, passt sich laufend den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den sich verändernden Bedürfnissen der Gäste an.
Erfolgreiche und liberale Wirtschaft als Basis
Das Erfolgsmodell Schweiz basiert auf einer starken, liberalen Wirtschaft und einem gesunden Mittelstand. Dazu müssen wir Sorge tragen, damit wir unseren Wohlstand bewahren. Nur gesunde Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und können ihren Mitarbeitenden faire Bedingungen bieten. Dafür braucht es unternehmerische Freiheiten und nicht immer mehr Steuern, Abgaben und Sozialstaat.
GastroSuisse setzt sich mit aller Kraft dafür ein. Im letzten Jahr konnte das Gastgewerbe wichtige politische Erfolge feiern: Das Parlament beschloss, den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen über 2027 hinaus beizubehalten. Im Abstimmungskampf engagierte sich der Verband erfolgreich gegen die überteuerte BVG-Reform. Und auf Bundesebene gilt: Liquidationsgewinne bei der Geschäftsaufgabe von Einzelunternehmen führen nicht mehr zur Rückforderung der Härtefallhilfen. An vielen weiteren Themen arbeiten wir intensiv.
Unsere Branche ist agil, passt sich laufend den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den sich verändernden Bedürfnissen der Gäste an. Wir wollen nicht jammern, sondern die Ärmel hochkrempeln und unseren Plan umsetzen. Genau dafür sind wir als Verband da.
Unsere Branche, unsere Mitglieder und unsere Gäste haben das verdient.»