
ZHAW-Bachelorarbeit untersucht CO₂-Angaben auf Speisekarten
Die Gastronomie steht zunehmend vor der Frage, wie sie zum Klimaschutz beitragen kann. Thea Bertsch-Stillhart hat in ihrer Bachelorarbeit an der ZHAW erforscht, ob konkrete CO₂-Angaben in Gramm auf Speisekarten das Bestellverhalten verändern. Grundlage war eine Online-Umfrage mit 100 Personen in der Deutschschweiz. Das Resultat: Die Mehrheit der Befragten steht dem Ansatz positiv gegenüber. Besonders Frauen zeigen eine deutlich höhere Bereitschaft, sich an solchen Angaben zu orientieren.
Kleine Denkanstösse, sogenannte «Nudges», spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sollen Gäste subtil in eine umweltfreundlichere Richtung lenken, ohne Zwang und ohne finanzielle Anreize. Die Speisekarte eignet sich dafür besonders gut: Werden dort Informationen zu Umwelt- oder Klimafolgen ergänzt, treffen Gäste ihre Wahl bewusster. Frühere Studien zeigen, dass diese Methode funktioniert und auch die Untersuchung von Thea Bertsch-Stillhart bestätigt das. Die Umfrage macht deutlich: Die Mehrheit der Gäste bewertet CO₂-Angaben auf der Speisekarte positiv. Frauen zeigen dabei eine besonders hohe Akzeptanz, was auf ihr stärkeres Umweltbewusstsein zurückgeführt werden könnte. Überraschend hingegen: Das Bildungsniveau spielte keine Rolle, obwohl erwartet wurde, dass höher Gebildete solchen Massnahmen offener gegenüberstehen.
Wenig Widerstand, aber offene Fragen
Auch Bedenken, dass ihre Entscheidungsfreiheit eingeschränkt würde, äusserten die Befragten kaum. Drei Viertel der Befragten lehnten die Aussage ab, dass CO₂-Angaben kontraproduktiv sein oder die Wahlfreiheit beeinträchtigen könnten. Allerdings gaben rund 40 Prozent an, dass sie ein Restaurant mit solchen Angaben nicht automatisch bevorzugen würden. Das heisst: Eine klare Ablehnung gibt es zwar kaum, einen klaren Wettbewerbsvorteil für Restaurants garantieren die Angaben jedoch ebenfalls nicht.
Der Effekt zeigte sich am deutlichsten bei der Speisewahl. Mithilfe statistischer Tests liess sich zeigen, dass die Angaben das Bestellverhalten der Gäste tatsächlich veränderten. Die Gäste entschieden sich öfter für umweltfreundlichere Gerichte oder liessen gewisse Optionen sogar weg. Damit verdeutlicht die Arbeit, dass Nudging auf der Speisekarte einen realen Beitrag zur Reduktion von CO₂-Emissionen leisten kann, indem es Transparenz schafft.
Und diese kann für Betriebe zu einem Wettbewerbsvorteil werden, gerade weil Nachhaltigkeit für viele Gäste zunehmend an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig erlaubt die Einführung solcher Massnahmen eine klare Positionierung: Ein Restaurant, das CO₂-Angaben macht, signalisiert Verantwortungsbewusstsein und nimmt eine Vorreiterrolle ein. Sinnvoll ist jedoch, diese Massnahme in ein Gesamtkonzept einzubetten etwa in Kombination mit regionaler, vegetarischer oder saisonaler Küche.
Chancen und Stolpersteine für die Praxis
Für Restaurants ist die Umsetzung allerdings sicher mit Aufwand verbunden. Die Berechnung der CO₂-Werte ist komplex, da Faktoren wie die Herkunft der Zutaten, die Transportwege und die Produktionsmethoden einbezogen werden müssen. Es gibt jedoch bereits Hilfsmittel: Anbieter wie eaternity entwickeln Berechnungsmodelle oder Labels, die Gastronomiebetriebe nutzen können.
Die Ergebnisse von Thea Bertsch-Stillhart zeigen also erste Tendenzen, wie sich CO₂-Angaben auf Speisekarten auf das Verhalten der Gäste auswirken können, machen aber gleichzeitig deutlich, dass in diesem Bereich noch viel Potenzial für vertiefte Forschung besteht.Grössere Studien könnten demografische Unterschiede besser abbilden, während Feldexperimente zeigen könnten, welche Auswirkungen Angaben langfristig auf das Wahlverhalten, den Umsatz und die Gästezufriedenheit haben. Ebenso wichtig ist die Sichtweise der Betriebe selbst. Nur wenn Gastronomen bereit sind, entsprechende Massnahmen umzusetzen, sind sie auch erst wirkungsvoll. Ergänzend könnten qualitative Interviews mit Gästen wertvolle Einblicke in Motive und mögliche Vorbehalte liefern. So liesse sich die Gestaltung und Kommunikation von CO₂-Angaben weiter verfeinern und der Ansatz zu einem praxisnahen Instrument für eine nachhaltigere Gastronomie entwickeln.