Handbike-Profiathletin Sandra Stöckli meets Kaffeeröstspezialistin
Sandra Stöckli ist Gesamtweltcupsiegerin 2022 auf dem Handbike, einen Titel, den sie nächstes Jahr verteidigen möchte. Da stehen mit der WM in Schottland und der EM in Rotterdam wichtige Wettkampfserien auf dem Programm, die gleichzeitig den Weg für die Heim-WM in Zürich und die Paralympics 2024 in Paris ebnen. Es wären nach Rio und Tokio die dritten Paralympics für Sandra Stöckli. Und die Zeichen stehen gut, denn momentan reicht ihr kaum jemand das Wasser. Auch Reto Burri höchstens, wenn es bergauf geht. Er ist kein Spitzensportler aber angefressener Hobby-Rennfahrer, ein guter Freund von Sandra Stöckli und Geschäftsinhaber der Kaffeerösterei Kolanda-Regina AG. Und so sprachen letztlich viele Gründe für ein Sponsoring der sympathischen Spitzensportlerin aus Rapperswil-Jona.
Mit vier Medaillen in vier WM- und EM-Rennen, dem erstmaligem Sieg des Gesamtweltcups sowie einem doppelten Schweizermeistertitel ging für Handbikerin Sandra Stöckli Mitte August die bisher erfolgreichste Saison zu Ende. Die Profi-Athletin befindet sich auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere, deren Anfang allerdings ein tragischer Unfall markiert. Vor 22 stürzte die damals 15-Jährige unglücklich von der Sprossenwand und war fortan querschnittgelähmt.
Der Unfall legte ihr bisheriges Leben von einem Tag auf den nächsten lahm und das in einem Alter, der mit Pubertät und Berufswahl ohnehin von Umbrüchen geprägt war. «Alles was bisher selbstverständlich war, musste ich neu lernen, die Schuhe binden, mich anziehen, ins Auto einsteigen», sagt Sandra Stöckli gegenüber GOURMET. Und während ihren Freundinnen die Welt zu Füssen lag, musste sie den Umgang mit dem Rollstuhl erlernen.
Kräftezehrende Reha in Nottwil
Ein schmerzliches Reset in vielen Bereichen. Die Rehabilitation im Paraplegiker-Zentrum im luzernischen Nottwil zerrte an Kräften und Nerven. Frust und Zorn hatten den Platz ihres einstigen Ehrgeizes eingenommen, das Krafttraining widerstrebte ihr und alle Aufforderungen von Rollstuhlsportlerinnen und -sportlern mit ihnen zu trainieren, schlug Sandra Stöckli demonstrativ in den Wind, und das, obwohl sie vor dem Unfall sehr aktiv gewesen war, im Turnverein, auf der Skipiste oder unterwegs auf Wanderwegen. Sie brillierte zwar nicht unbedingt mit sportlichen Glanzleistungen, zeigte aber Biss und Disziplin, vor allem wenn es darum ging, Wettkämpfe zu bestreiten oder schulische Prüfungen zu bestehen.
In Nottwil wollte sie vorerst nichts von alldem wissen, zu schwer lastete das Geschehene und die strenge Reha auf ihren Schultern. Bis zu dem Tag, als sie zu einem Trainingslager beinahe genötigt wurde. «Nur sehr widerwillig rückte ich ein und drohte meinen Eltern, mit dem Zug oder Taxi heimzureisen, sollten sie mich nach drei Tagen nicht wieder abholen. Die Eltern kamen wie versprochen, aber nicht um mich abzuholen, sondern um neue Kleider zu bringen.» Das Feuer war entfacht. «Der Sport wurde für mich zu einem wichtigen Ventil, um Trauer, Wut und Frust abzulassen. Er unterstützte den Verarbeitungsprozess und gleichzeitig half der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen bei Fragen, die man nicht mit Ärztinnen und Therapeuten besprechen konnte.»
Vom Reha- zum Leistungssport
Der Sport wurde so zum Brückenbauer zwischen einer ihr bekannten, aber doch auch neuen Welt. Und nach und nach gelang Sandra Stöckli der Übergang vom Reha- in den Wettkampfsport. 2003 bestritt sie mit dem Rennrollstuhl ihre erste Junioren-WM im holländischen Assen, 2005 ihre erste Europameisterschaft. Sie begann sich auf Mittel- und Langstrecken zu spezialisieren und nahm an ersten Städtemarathons teil. 2011 wurde sie erstmals für eine Weltmeisterschaft selektioniert. Sie positionierte sich auf dem sechsten Rang über 5000 Meter und auf dem vierten Platz im Marathon.
Ihre Leistungen im Rennrollstuhl waren gut, aber nicht vergleichbar mit dem Niveau, das sie später auf dem Handbike erlangte. Mit dem Disziplinen-Wechsel tauschte Sandra Stöckli 2014 die Tartan- gegen die freie Wildbahn aus und wandte den Blick buchstäblich vom Boden gegen den Himmel. Denn während man auf dem Rennrollstuhl Runde um Runde auf der Tartanbahn dreht, den Blick nach unten gerichtet, bewegt man sich auf dem Handbike liegend vorwärts, draussen in der Natur. «Es ist einfach cool, mit reiner Armkraft auf das Stilfser Joch zu fahren oder innert zehn Tagen quer durch den Oman», sagt sie und schwärmt vom Handbike als technische und taktische Sportart mit extrem viel Action und Dynamik. Es war ein Befreiungsschlag, denn nun hatte sie die Sportart gefunden, die zu ihr passte, wie das Cantucci zum Espresso.
Spitzensportlerin als Beruf
«Heute ist der Sport mein Beruf und das ist ein grosses Privileg.» Sandra Stöckli hat die Weltspitze erreicht und ist eine der wenigen Para-Athletinnen, die vom Sport leben können. Mit dem Handbike war sie auch nicht mehr an eine Sportstätte gebunden und konnte gemeinsam mit Radrennfahrern wie Reto Burri trainieren. Er ist kein Spitzensportler, aber ein ambitionierter Hobby-Rennfahrer, Geschäftsinhaber der Kaffeerösterei Kolanda-Regina AG und seit März 2020 einer ihrer Sponsoren. «Sandra Stöckli und ich teilen gleich zwei Leidenschaften – jene für den Radsport und jene für sensationell guten Kaffee», sagt Reto Burri und Sandra Stöckli bestätigt: «Wir Velofahrer trinken gerne und viel Kaffee.»Kennengelernt haben sich die beiden auf einer organisierten Veloreise nach Dubai, erstmals 2018 und ein zweites Mal im Jahr 2020. «Die Region ist faszinierend. Wir fuhren quer durch die Wüste, hunderte Kilometer ohne je ein Auto zu sehen, ohne abbremsen zu müssen und konnten Rekordzeiten fahren. Auch die Touren ins Jebel Jais-Gebirge auf über 1000 Meter hatten es in sich», schwärmt Sandra Stöckli und erklärt, dass Velofahrer wie Reto Burri bei Steigungen klar im Vorteil seien. «Was diese mit Beinarbeit erledigen, mache ich mit den Armen. Im Flachen konnte ich aber gut mithalten und viel profitieren, denn für mich ist klar: Wer weiterkommen will, muss sich an Stärkeren orientieren.»
«Wer weiterkommen will, muss sich an Stärkeren orientieren.»
Und so erwuchs aus gemeinsamen Veloferien eine Freundschaft, die schliesslich ein Sponsoring auf den Plan brachte. «Im April 2021 wurde der Vertrag unterzeichnet, mitten im Lockdown und das ist alles andere als selbstverständlich», sagt die Profisportlerin. Ein paar Monate später standen die Paralympics in Tokio auf dem Programm, nach Rio im Jahr 2016 die zweiten Olympischen Spiele für Sandra Stöckli. Hier erreichte das mediale Interesse am Parasport einen ersten Höhepunkt, die Sportlerin spricht von einem Quantensprung. «Wir hatten jeden Abend eine Spezialsendung zur besten Sendezeit im SRF und meine Rennen wurden live übertragen.» Und das sei eine extreme Entwicklung.
Kolanda-Regina rückt ins Rampenlicht
Mit dem medialen Interesse wächst auch das Sichtbarwerden der Sponsoren. Kolanda-Reginas Kaffeetasse inklusive aufsteigendem Kaffeeduft weckte Interesse. «Ich wurde oft gefragt, wer sich hinter diesem Logo verbirgt. Eine Aufmerksamkeit, die mit zunehmendem Erfolg von Sandra Stöckli weiterwächst. Nächstes Jahr stehen für die Profisportlerin mit der WM in Schottland und der EM in Rotterdam zwei wichtige Titelwettkämpfe auf dem Programm. Sandra Stöckli ist Medaillengarantin und will ihre Leader-Position im Schweizerteam weiterführen. Eigentlich sei das Training der nächsten Saison aber bereits vollumfänglich auf die Paralympics 2024 in Paris ausgerichtet. «Wenn es so weiter geht, wird die Saison 2024 sehr spannend für mich. Hinzu kommt, dass Paris für uns Schweizerinnen und Schweizer fast schon Heimspiele sind. Das heisst, meine Fans können mich vor Ort anfeuern. Und das kann bei mir viel bewirken.»
Sandra Stöckli gilt als Topfavoritin für die Rad- und Para-Cycling-WM in Zürich. Diese sensationelle Startposition bringt auch ganz neue Herausforderungen mit sich. Das Medieninteresse werde massiv ansteigen, prognostizierte man Sandra Stöckli. Und das müsse man im Vorfeld gut planen. Das sind Luxusprobleme für Sandra Stöckli und ein Sechser im Lotto für Reto Burri, der sich trotz der Freundschaft natürlich Publicity verspricht von dem Sponsoring, dass in schwierigen Zeiten wie diesen umso willkommener sei.
«Für mich war beim Sponsoring der persönliche Bezug sehr wichtig.»
«Für mich war beim Sponsoring der persönliche Bezug sehr wichtig. Ich bin ebenfalls leidenschaftlicher Velofahrer, habe mit zehn angefangen zu trainieren, damals aber zu wenig Ambitionen entwickelt, um aus dem Amateurbereich herauszukommen», sagt Reto Burri, der erst später, als es ums Geschäftliche ging, über sich hinauswuchs und Durchhaltewille und Ehrgeiz entwickelte. Seit 2018 führt er die Kolanda-Regina AG, ein Unternehmen, das seit 1911 in Familienbesitz ist, nicht immer unter diesem Namen aber immer mit der gleichen Leidenschaft für Kaffee. Und diese Leidenschaft trägt Sandra Stöckli nun in die Welt hinaus, die übrigens auch als Rednerin auf der Bühne steht, denn letztlich haben Spitzensport und Wirtschaftsleben vieles gemeinsam. Auch hier können Sandra Stöckli und Reto Burri also voneinander profitieren.
Gut zu wissen
Sandra Stöckli wechselte in ihrer Profi-Karriere vom Rennrollstuhl auf Handbike. Mit ersterem trainiert man in der Disziplin Leichtathletik und absolviert fixe Distanzen von 100, 200, 400 oder 5000 Metern sowie Marathons von 42,2 Kilometern. Und obwohl Leichtathletik die älteste olympische Disziplin ist, ist der Parasport Leichtathletik nicht dem Leichtathletik-Verband angeschlossen.
Im Gegensatz zum Handbike, das Pendant zum Rennvelo. Handbike-Athletinnen und -Athleten trainieren innerhalb der Cycling-Disziplin. Sie sind in der Schweiz dem Verband Swiss Cycling und international dem Verband UCI angeschlossen. Das heisst beispielsweise, dass Sandra Stöckli an den Paralympics die gleiche Kollektion wie Radsportlerin Marlene Reusser trägt.
Das sind wichtige Zeichen einer erfolgreichen Integration des Parasports, auch wenn noch viel Potenzial vorhanden ist. «Ich wünsche mir insbesondere, dass man das olympische Feuer von der Entfachung an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele bis zur Schlussfeier der Paralympics als verbindendes, symbolisches Element, brennen lässt», betont Sandra Stöckli.
Kolanda-Regina AG – eine bewegte Vergangenheit
Die bewegte Vergangenheit der Kolanda-Regina AG untermalt die Bedeutung des Kaffees für die Schweiz. Das heutige Unternehmen hat fünf verschiedene Vorläufer unter den Kaffee-Marken: Kolanda aus Basel, Regina aus Bern, Barios aus Fribourg, Espresso-Club aus Gland und Denko aus Martigny. Ende des 20. Jahrhunderts gab es in der Schweiz noch eine Vielzahl kleiner Röstereien, die sich im Laufe der Zeit allerdings nicht mehr nachhaltig betreiben liessen. Mit der Vereinigung der fünf Marken zur heutigen Kolanda-Regina AG hat es das Burgdorfer Unternehmen geschafft, ein Stückchen Schweizer Kaffeetradition zu bewahren. www.kolanda-regina.ch
Sandra Stöckli
Kolanda-Regina AG
Buchmattstrasse 4
3400 Burgdorf
Tel. 0848 35 35 30
info@kolanda-regina.ch