«Immer mehr Gäste, immer weniger Personal – können Technologie und Innovation die Personalknappheit mindern?»
Wie kann die Gastronomie den Fachkräftemangel bewältigen? Beim Culina-Roundtable am Standort der Brita Wasser-Filter-System AG in Neudorf, Luzern, diskutierten Experten aus Gastronomie, Zulieferung und Planung über flexible Arbeitsmodelle, innovative Küchenkonzepte und künstliche Intelligenz. Das Fazit: Standardlösungen gibt es keine – aber Herzblut und echtes Gastgebertum bleiben entscheidend.
Stephan Frech: Das Thema Personalknappheit ist eine der grössten Herausforderungen in der Gastronomie. KI und technologische Lösungen können helfen, den Mangel abzufedern und Prozesse effizienter zu gestalten. Doch zunächst zu den Ursachen: Sie kommen aus unterschiedlichen Geschäftsfeldern – ob als Zulieferer, Anbieter oder Planer mit Erfahrungen aus zahlreichen Projekten. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptfaktoren, die zum Fachkräftemangel in der Gastronomie geführt haben?
Marco Bitterli: Ein zentraler Punkt sind die Arbeitszeiten und der Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance. Hinzu kommen niedrige Löhne, die viele dazu bewegt haben, sich beruflich umzuorientieren. In anderen Branchen finden sie höhere Gehälter und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da gibt es kaum Anreize, in die Gastronomie zurückzukehren.
Oliver Brouwer: Die Löhne haben meiner Meinung nach etwas angezogen, aber die Arbeitszeiten bleiben tatsächlich ein grosses Hindernis. Mittags- und Abendservice verlangen viel Flexibilität. Besonders die Zimmerstunde am Nachmittag, dann Dienst bis 22 Uhr. Solche Modelle schrecken Fachkräfte ab.
Alan Lama: Wir waren letzthin in einem Restaurant und wollten gegen 13 Uhr, also kurz vor der Zimmerstunde, noch etwas essen. Das gab intern Diskus-sionen. Längst nicht alle sind bereit, die Extrameile zu gehen.
Marco Bitterli: Dieses Phänomen geht aber durch alle Branchen: Strukturiertes Arbeiten, keine Überstunden, keine Wochenendarbeit – das ist der neue Anspruch. Es ist ein gesellschaftlicher Wandel, nicht nur ein Problem der Gastronomie. Die jüngere Generation legt mehr Wert auf Freizeit und die Identifikation mit dem Beruf hat nachgelassen.
Alex Freiburghaus: Es ist ein Geben und Nehmen – von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Mehr Wertschätzung und Flexibilität könnten bereits viel bewirken. Bessere Löhne und modernere Arbeitszeitmodelle würden ebenfalls auf grosse Zustimmung stossen.
Patrik von Wyl: Die Attraktivität eines Jobs hängt stark von seiner Lukrativität ab. Gute Unternehmen wissen, wie wichtig faire Arbeitszeiten, angemessene Löhne und vor allem Wertschätzung sind. Wer Mitarbeitende halten will, muss den Job nicht nur finanziell, sondern auch durch Anerkennung und ein gutes Arbeitsumfeld attraktiv machen.
Vasko Ostojic: Da ist Michel Péclard ein gutes Beispiel. Mit seinen 17 Restaurants hat er eine Struktur geschaffen, in der Teams eng zusammenarbeiten und Belastungen verteilen. Zudem investiert er in Team-Events und ermöglicht finanzielle Beteiligungen ohne Risiko. Im Gegenzug erwartet er Einsatz und Flexibilität. Sein Schlüssel ist Inspiration: Ein Gastronom muss sein Team mitreissen, sonst suchen sich Mitarbeitende andere Wege.
Marco Bitterli: Oder sie arbeiten nur die Zeit, die sie müssen – und genau da sind wir wieder am Kern des Problems.
Stephan Frech: Seit Corona zeigt sich aber, dass die Menschen wieder gerne essen gehen und die Nachfrage in der Gastronomie gross ist. Doch es fehlt oft an Mitarbeitenden, um den Service aufrechtzuerhalten. Liegt das nicht auch an unzureichend organisierten Prozessen?
Oliver Brouwer: Moderne Arbeitsmodelle wie Blockzeiten oder strukturierte Abläufe könnten die Gastronomie tatsächlich attraktiver machen, doch das wird oft übersehen. Gleichzeitig verzichten viele Betriebe zunehmend auf die Ausbildung von Lernenden – ein fataler Fehler, denn ohne Nachwuchsförderung wird der Fachkräftemangel noch grösser. Auch die Berufsschulen müssten aktiver werden: Hier fehlt es an konkreten Ansätzen zur Umsetzung neuer Arbeitszeitmodelle und zur Prozessoptimierung. Junge Leute sind motiviert, doch der nötige Impuls von der Ausbildungsseite bleibt oft aus.
Roger Schreiber: Aber auch mit neuen Modellen bleiben Dienstpläne unverzichtbar, damit der Betrieb funktioniert. Dieser fehlende Selbstbestimmungsgrad über die Arbeitszeiten widerspricht den Bedürfnissen vieler junger Menschen heute.
Adrian Hauser: Und viele Junge wollen heute auch weniger Verantwortung übernehmen, lieber von sieben bis fünf arbeiten und den Kopf nach Feierabend frei haben. Aber wer springt ein, wenn Personal fehlt? Grössere Betriebe mit ihren Netzwerken können das auffangen, ein Landgasthof hat diese Option meist nicht.
Patrik von Wyl: Externe Unterstützung könnte helfen, neue Ansätze wie die zeitversetzte Produktion zu entwickeln – vorausgesetzt, man ist bereit, sie anzunehmen.
Alex Freiburghaus: Coachings stossen allerdings oft auf Skepsis. Und auch die Bereitschaft, über Veränderungen wie eine Vier-Tage-Woche nachzudenken, ist oft gering. Da hört man schnell: Das funktioniert bei uns nicht. Auch die Kosten werden gescheut.
Marco Bitterli: Vieles steht und fällt mit der Kommunikation. Statt Anweisungen zu geben, sollte man gezielt nachfragen: Woher kommt der Druck? Warum fehlt Personal? Es geht darum, individuell anzusetzen – bei Köchen, Lernenden oder Lehrpersonen. Der Impuls zum Umdenken muss von innen kommen. Nur wer bereit ist, sich selbst zu verändern, kann nachhaltig etwas bewegen.
Oliver Brouwer: Und das ist dringend nötig, denn die Folgen dieser Entwicklung sind dramatisch: Um den Personalmangel zu kompensieren, greifen Gastronomen zunehmend zu Convenience-Produkten. In Deutschland habe ich gesehen, dass selbst in renommierten Betrieben vorgefertigtes Rotkraut oder Wildpfeffer aus der Packung zum Einsatz kommen. So wird das Handwerk ausgehöhlt, Küchen verlieren ihre Einzigartigkeit und Gäste das besondere Erlebnis. Wenn das Rotkraut wie im Supermarkt schmeckt, warum ins Restaurant gehen? Dieser Trend gefährdet die Qualität und den Wert des Kochens – eine alarmierende Abwärtsspirale.
Stephan Frech: Insbesondere Betriebe, die Erlebniswelten kreieren sind häufig aber sehr erfolgreich. Sie machen Gäste neugierig und gestalten Arbeitsplätze, die für Mitarbeitende attraktiv sind. Ein gutes Beispiel ist die Gastronomie im Europa-Park. Was steckt dahinter?
Patrik von Wyl: Ein starkes Konzept! Und genau das fehlt oft. Viele glauben, eine À-la-carte-Küche sei ausreichend. Doch wer unternehmerisch denkt, weiss: Erfolg kommt durch Abheben – sei es über die Qualität, den Preis oder ein einzigartiges Angebot.
Alan Lama: Auch der Service ist entscheidend. Ein aufmerksamer Service bleibt in Erinnerung – und sorgt dafür, dass ich wiederkomme. Wobei mir das auch zu denken gibt: Wenn ein guter Service auffällt, heisst das im Umkehrschluss, dass er oft durchschnittlich oder schlecht ist.
Roger Schreiber: Der Standort ist ebenfalls entscheidend. Lifestyle-Orte wie Arosa oder Städte wie Zürich bieten deutlich mehr Abwechslung und Reiz als abgelegene Orte auf dem Land. Wo das Umfeld pulsiert, steigt auch die Anziehungskraft für Gäste und Mitarbeitende.
Stephan Frech: Die Lage allein ist aber nicht entscheidend: Das Restaurant Iheimisch in Sursee zum Beispiel überzeugt Gäste und Mitarbeitende auch abseits von Hotspots.
Alan Lama: Ein abgelegener Standort macht es sicher schwieriger, aber ein starkes Konzept kann das tatsächlich ausgleichen, dieser Meinung bin ich auch. Ich kenne ein Restaurant, das mehr schlecht als recht lief und sich nach einem Besitzerwechsel auf Cordon Bleu spezialisiert hat – das kommt sehr gut an und zeigt: Mit klarem Konzept und guter Führung kann man auch unabhängig vom Standort erfolgreich sein.
Vasko Ostojic: Auch Waren- und Personalkosten müssen effizient gesteuert werden – nicht durch niedrige Löhne, sondern durch clevere Organisation. Nochmals zu Péclard, er macht es vor: wetterabhängige Einsätze, nahegelegene Standorte und Transfers, etwa per Boot zwischen den Züriseeufern. Solche durchdachten Ansätze zeigen, wie Flexibilität und Effizienz kombiniert werden können. Dazu braucht es auch uns als Planer, Hersteller und Zulieferer, um die gesamte Wertschöpfungskette optimal zu gestalten.
Alex Freiburghaus: Ich denke auch, wir können nur gemeinsam erfolgreich sein – wir als Zulieferer und unsere Kunden. Wenn es ihnen gut geht, geht es auch uns gut. Der Austausch sollte viel enger und persönlicher sein.
Stephan Frech: Und wie kann die Gastronomie die Bedürfnisse der jungen Generation noch besser berücksichtigen?
Roger Schreiber: Was oft fehlt, ist die Bereitschaft, jungen Leuten wirklich zuzuhören und ihre Bedürfnisse zu verstehen. In einem Seminar habe ich gelernt: Statt Anweisungen zu geben, sollte man zuerst zuhören, was ihnen wichtig ist. So liesse sich womöglich ein Umfeld gestalten, in dem sie gerne arbeiten.
Oliver Brouwer: In vielen Küchen ist es zudem stickig, fettig, Tageslicht fehlt, dass ist tatsächlich keine attraktive Umgebung, um zehn Stunden am Tag zu arbeiten.
Benjamin Müller: Gibt es denn bei der Planung Ansätze, die Küche mehr in den Fokus zu rücken – als attraktiver Arbeitsplatz für Mitarbeitende und gleichzeitig als Teil des Gästeerlebnisses?
Roger Schreiber: Arbeitsplätze in der Gastronomie attraktiver zu gestalten, ist tatsächlich essenziell. Oft dominieren hier weisse Plättli und viel Chromstahl. Ein möglicher Arbeitsplatz mit Tageslicht wird aber schnell zugunsten eines attraktiven Gästebereichs geopfert. Dennoch sollte man immer das Bestmögliche für die Mitarbeitenden umsetzen.
Benjamin Müller: Vielleicht sollte man auch die junge Generation selbst fragen, wie sie sich eine ideale Küche vorstellt. Moderne Gestaltung und optimierte Prozesse könnten die Arbeit effizienter machen und gleichzeitig Raum für Kreativität schaffen.
Oliver Brouwer: Das stimmt, dieses Denken sollte tatsächlich integriert werden. Ein unattraktiver Arbeitsplatz führt zu ständigem Personalwechsel und erhöhten Einarbeitungskosten. Langfristig spart man, wenn man in bessere Arbeitsbedingungen investiert – sowohl finanziell als auch durch stabilere Teams.
Marco Bitterli: Allerdings sind Planung/Bau und Personalmanagement zwei getrennte Budgets, was die Umsetzung dieser These erschwert.
Beat Schwarz: Die Gastronomie ist wie das Gesundheitswesen hinsichtlich der Arbeitszeiten wenig attraktiv, das hatten wir bereits gesagt. Erschwerend hinzu kommt das mangelnde Verständnis der Gäste: Sie fordern viel, tun selbst aber wenig, um die Situation zu verbessern.
Oliver Brouwer: Aber haben sich die Werte der Arbeitnehmer nicht auch verändert? Ein Küchenchef oder Koch merkt nach drei Tagen, dass der Job doch nichts für ihn ist und verlässt den Betrieb in der Probezeit, was den Unternehmer vor ein grosses Problem stellt. Oder jemand verhandelt intensiv über den Lohn, nur um festzustellen, dass ihm bei diesem Lohn eine 80-Prozent-Anstellung genügen würde. Warum denken wir heute so? Diese Fragen beschäftigen mich.
Stephan Frech: Trifft das auch auf die Lernenden zu?
Roger Schreiber: Lernende zu führen ist definitiv anspruchsvoller geworden. Sie erwarten regelmässiges Feedback und intensivere Betreuung. Viele Gastronomen verzichten daher auf die Ausbildung, weil der Aufwand als zu gross empfunden wird. Und man müsste, um Jugendliche zu erreichen, auch Social Media professionell nutzen, nicht nur zur Gästegewinnung, sondern auch für die Mitarbeitersuche. Das wird jedoch stark vernachlässigt.
Vasko Ostojic: Die Digitalisierung allein reicht aber nicht aus, oft fehlt den Jungen die Basis, etwa das Wissen, woher Lebensmittel kommen. Lernen bedeutet auch, Anstand, Pünktlichkeit und Werte zu vermitteln, nicht nur Kochen. Erreicht man die Lernende an einem Punkt, der sie motiviert, kann man sie gewinnen. Andernfalls sind sie schnell weg.
Beat Schwarz: Hinzu kommt, dass die Negativspirale oft früh beginnt: Junge Menschen, die Koch oder Köchin werden wollen, stossen häufig auf Vorurteile – oft sogar von den eigenen Eltern, die andere Wege bevorzugen. Das ist bedauerlich. Es wäre so wichtig, junge Talente zu ermutigen, ihre Leidenschaft für die Gastronomie zu verfolgen.
Stephan Frech: Ich möchte noch auf zwei Aspekte eingehen. Erstens: Den Blick ins Ausland richten. Welche innovativen Konzepte und Arbeitsweisen könnten als Vorbild dienen? Und zweitens: Welche Arbeitsmodelle oder Technologien könnten in Zukunft den Ton angeben.
Oliver Brouwer: Im nahen Ausland werden Tische oft effizienter genutzt, etwa durch feste Zeitfenster von 1,5 Stunden, bevor der Tisch neu vergeben wird. So schafft ein Serviceteam zwei, in Ausnahmefällen sogar drei Tischbelegungen am Abend. Das steigert Effizienz und Wirtschaftlichkeit – Ansätze, die auch bei uns Potenzial hätten.
Alex Freiburghaus: Das Essverhalten unterscheidet sich auch stark zwischen Kulturen und Regionen. Kürzlich war ich im Unterwallis: Ein kleines Beizli mittags, draussen ein Büezer beim Fondue, drinnen drei Tische voller Büezer ebenfalls beim Fondue – ein Bild, das man in der Deutschschweiz nicht unbedingt sieht. Hier muss es mittags schnell gehen.
Vasko Ostojic: Man muss auch klar zwischen Mittags- und Abendgästen unterscheiden: mittags schnell, frisch und einfach mit einer kleinen, durchdachten Karte, abends hingegen Qualität und Erlebnis bieten. Das erfordert aber ein genaues Verständnis der Zielgruppe.
Stephan Frech: Hier könnte KI ja durchaus hilfreich sein – um Arbeitsabläufe zu optimieren, die Gästezufriedenheit zu steigern und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.
Patrik von Wyl: KI hat enormes Potenzial, die Gastronomie effizienter zu machen und mehr Zeit für den Gast zu schaffen. Sie könnte Menüs basierend auf Verkaufszahlen, Wetter und Trends planen, um die Küche zu entlasten und Gäste gezielt anzusprechen. Gleichzeitig hilft KI, Verkaufsdaten auszuwerten, Wareneinsatzkosten zu berechnen und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Solche Tools sparen Zeit und ermöglichen, sich stärker auf das Wesentliche zu konzentrieren: Qualität und Service.
Roger Schreiber: KI kann durchaus unterstützen – die Systemgastronomie ist hier der klassischen Gastronomie weit voraus. Allerdings ist KI nur so gut wie die Daten, die ihr zur Verfügung stehen. Viele Gastronomen schöpfen das Potenzial nicht aus, weil sie keine zuverlässigen Daten erheben, etwa welche Gerichte an welchem Tag verkauft wurden. Ohne diese Basis bleibt das Potenzial von KI ungenutzt.
Adrian Hauser: Viele Gastronomen verfügen halt nicht über das notwendige Know-how, um solche Systeme zu implementieren – ich selbst könnte nicht sagen, wie Daten korrekt eingepflegt werden. Wie soll ein Gastronom das bewältigen und gleichzeitig den Betrieb und die Gäste betreuen? Jemanden einzustellen kostet zusätzlich Geld. Solche Lösungen sind daher nicht ohne Weiteres auf die gesamte Branche übertragbar.
Beat Schwarz: Der Initialaufwand für die Einführung solcher Systeme ist tatsächlich erheblich, besonders für Betriebe ohne eigenes IT-Team. Häufig fehlt die nötige Grundlage, um den Status zu erreichen, in dem KI und Technik tatsächlich eine Entlastung bieten können.
Alex Freiburghaus: Vielleicht liegt hier eine Aufgabe bei Verbänden wie auch bei der Ausbildung: Ein Beispiel aus Deutschland zeigt das Potenzial der Automatisierung in der Gastronomie: In einem Restaurant übernimmt ein Roboter das Frittieren von Fried Rice, während das Personal mehr Zeit für persönlichen Service hat. Eine Mitarbeiterin fragte am Tisch sogar nach der Zufriedenheit. Trotz Investitionskosten zeigt dies, wie Technik Abläufe optimieren und gleichzeitig menschliche Interaktion fördern kann. Gerade kleinere traditionelle Betriebe stehen jedoch vor individuellen Herausforderungen. Hier braucht es mehr externe Unterstützung mit praktikablen Lösungsmodellen, da die Ressourcen oft begrenzt sind und das Tagesgeschäft wenig Spielraum lässt.
Benjamin Müller: Aramark, ein führender Caterer in Deutschland, hat in Zusammenarbeit mit dem Berliner Start-up Aitme eine vollautomatisierte Küche auf acht Quadratmetern entwickelt, ausgestattet mit Küchenrobotern, die Pfannen schwenken. Es stehen 30 vorprogrammierte Menüs zur Auswahl. Diese Innovation entlastet Mitarbeitende in der Betriebsgastronomie, bietet mehr Flexibilität bei den Angeboten und verlängert die Öffnungszeiten der Restaurants. Parallel dazu gibt es weiterhin Stationen, an denen frisch gekocht wird – eine Kombination aus beidem also, wie du gesagt hast, Alex.
Oliver Brouwer: Das ist interessant. Auch herkömmliche Küchen müssten viel effizienter arbeiten. Ein Kombisteamer für eine Wähe am Tag ist schlicht ineffizient. Es braucht klare Konzepte: Was biete ich an, und wie produziere ich es? Auch Food Waste wird oft noch nicht ernsthaft angegangen. Das Berufsbild des Küchenchefs wandelt sich zunehmend in Richtung Produktionskoch, wie es etwa in Altersheimen gefragt ist.
Alex Freiburghaus: Das führt uns zum Kern der Sache: Es hängt doch vieles vom Typ Gastronom ab. In Beizen bleibt das Handwerk essenziell, während KI in systemorientierten Betrieben grosses Potenzial hat. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Der Schlüssel ist, die passenden Lösungen für jeden Betriebstyp zu finden.
Stephan Frech: Was braucht es, damit junge Menschen trotz Robotern und bekannter Herausforderungen in klassische Berufe wie die Gastronomie einsteigen? Habt ihr Voten, die weiterhin für diesen Beruf sprechen?
Alex Freiburghaus: Unbedingt! Die Gastronomie ist eine der schönsten Branchen und das direkte Feedback der Gäste macht vieles wett. Das Kochen attraktiv ist, zeigen auch die ganzen Kochshows. Die Mühe lohnt sich, auch wenn der Weg manchmal steinig ist. Ich habe alles erlebt: von Kreuzfahrtschiffen bis zur Systemgastronomie. Wir brauchen junge Leute, die einsteigen, und Ältere, die ihnen zuhören.
Patrik von Wyl: Die Kreativität in diesem Beruf bleibt essenziell. Auch wenn Automatisierung Prozesse erleichtert, entstehen Rezepte nur durch kreative Köpfe. Automatisierung kann Freiräume schaffen, um sich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt: Leidenschaft und Einfallsreichtum.
Oliver Brouwer: Die Branche steht unter hohem Kostendruck. Doch mit Unterstützung, etwa durch Coaches oder innovative Ansätze, lässt sich effizient arbeiten und trotzdem frisch sowie individuell kochen. So kann der Beruf seinen verdienten Stellenwert zurückgewinnen – ein Beruf voller Leidenschaft, wenn Balance und Struktur stimmen.