HotellerieSuisse-Direktor Claude Meier, Bern:

Mitarbeitende gesucht – was tun?

22.02.2022
Gourmet 1/2/22
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Eine Umfrage von HotellerieSuisse verdeutlicht den Fachkräftemangel in der Branche. Zwei Drittel der Hotels in der Schweiz haben Mühe, offene Stellen zu besetzen. Die Situation führt auch zu einem massiven Hilfskräftemangel. Gourmet fragt bei HotellerieSuisse-Direktor Claude Meier nach.

Claude Meier, die Coronapandemie verstärkt den Fachkräftemangel in der Schweizer  Hotellerie. Wie sieht die Situation konkret aus?

HotellerieSuisse hat bei seinen Mitgliedern zwischen dem 8. bis 11. Januar eine Umfrage durchgeführt. Das Resultat zeigt deutlich auf, welche gravierenden Folgen die Coronapandemie auf den Arbeitskräftemangel in der Branche hat. Obwohl die Zahl der Logiernächte im Jahr 2021 noch um einen Viertel niedriger war als 2019, haben inzwischen mehr als zwei Drittel der Betriebe Mühe, alle vakanten Stellen zu besetzen. Noch höher ist dieser Anteil in den alpinen Gebieten, die von der Coronakrise insgesamt weniger betroffen waren als die Städte. Wir gehen davon aus, dass mit der Rückkehr der ausländischen Gäste nach der Krise der Bedarf an Arbeitskräften noch weiter steigen wird.

Wie wirkt sich dies auf die Betriebe aus?

Über 10 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Betriebe mussten Teil- oder sogar vorübergehende Komplettschliessungen in den vergangenen Monaten vornehmen. 26 Prozent der Betriebe sahen sich gezwungen, Abstriche bei der Qualität der Dienstleistungen vorzunehmen. Insgesamt sind 68 Prozent der Hotelbetriebe vom Arbeitskräftemangel betroffen und erwarten dadurch im Jahr

2022 im Durchschnitt Umsatzeinbussen von mehr als 40 000 Franken. Auf die gesamte Branche hochgerechnet entspricht das bei rund 4500 Hotelbetrieben in der Schweiz einem Gesamtverlust von rund 122 Millionen Franken.

Welche Qualifikationsprofile sind besonders schwer zu finden?

Fehlende Mitarbeitende in der Küche, an der Reception oder im Service waren schon vor der Coronakrise eine grosse Herausforderung. Neu kommt nun dazu, dass nicht nur Fachkräfte schwer zu gewinnen sind. Es fehlen aktuell auch Hilfskräfte und Arbeitnehmende ohne branchenrelevanten schweizerischen Berufsabschluss. Rund 85 % der befragten Unternehmen gaben an, dass es immer schwieriger wird, Hilfskräfte zu rekrutieren.

Und wie begegnet der Verband nun dieser Ausgangslage?

Es braucht noch weitere intensive Bemühungen von uns als Verband und allen Betrieben. HotellerieSuisse setzt unter dem Schwerpunktthema «Future Hospitality» 2022 die Branchenattraktivität in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Mit verschiedenen Themenfeldern sollen Impulse gesetzt werden, die zu allgemeinen Verbesserungen im Bereich der Fachkräftesicherung führen, um die Mitglieder des Verbandes mit konkreten Massnahmen dabei zu unterstützen, die Fachkräfte im Betrieb und in der Branche zu halten.

Können Sie dies etwas konkretisieren?

In verschiedenen Handlungsfeldern liefern wir unseren Mitgliedern Denkanstösse und Hilfestellungen.Dabei geht es etwa um zeitgemässe Führungskulturen in den Betrieben, um die bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und Freizeit oder um Optimierungen in den Vergütungssystemen, um attraktive Gesamtpakete für Mitarbeitende zu schaffen.

Was muss sich in der Kultur mancher Betriebe verändern?

Vorab möchte ich sagen, dass mir sehr viele Mitgliederbetriebe bekannt sind, die enorm und ganz gezielt in die eigene Unternehmenskultur investieren. Ich glaube, dass diese Unternehmen die Chancen erkannt haben, über eine Investition in die Unternehmenskultur, die Unternehmenswerte und die Führungsarbeit nachhaltig unternehmerischen Erfolg zu generieren. Gute Führungskultur heisst zum Beispiel für mich, dass Führungskräfte die Fähigkeiten der Mitarbeitenden erkennen, diese gezielt fördern und auch dabei helfen, ihre Potenziale optimal zu nutzen. Eine offene Gesprächs- und Feedbackkultur ist hierfür eine genauso wichtige Voraussetzung wie eine stufengerechte Weitergabe von Verantwortung und Entscheidungskompetenzen. Das Führen von Mitarbeitenden ist eine zeitintensive Aufgabe. Und ja, zahlreiche KMU sind damit teilweise überfordert oder durch das Tagesgeschäft schlicht dermassen belastet, dass sie solchen Aspekten zu wenig Beachtung schenken.

Was unternimmt der Verband, um die Mitglieder dabei zu unterstützen?

Wir haben das in anderen Branchen bereits bekannte Projekt «TOP-Ausbildungsbetrieb» mit unserem Regionalverband Graubünden und den Kollegen von Gastro Graubünden getestet und dann im vergangenen Jahr auf die ganze Schweiz ausgedehnt. Mit dem Regionalverband Association Romande des Hôteliers ARH haben wir kürzlich das Projekt «Staffdeals» realisiert. Damit wollen wir unseren Betrieben zusätzliche Fringe Benefits für ihre Mitarbeitenden ermöglichen. Mit dem Regionalverband Zürich lancierten wir ein neues Quereinsteigerprogramm, um ein vorhandenes Potential an künftigen Mitarbeitenden zu rekrutieren und auszubilden. Im vergangenen Jahr starteten wir mit Unterstützung des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO ein Coaching-Programm insbesondere für kleinere und mittlere Individualbetriebe in der Beherbergungsbranche. Mit weiteren Pilotprojekten starten wir in diesem Jahr.

Kann auch die Sozialpartnerschaft einen Beitrag leisten?

Ich bin überzeugt, dass auch über die Sozialpartnerschaft weitere Lösungen zu finden sind. Hier denke ich insbesondere an die weitere Förderung der Nachqualifizierung von Mitarbeitenden in unserer Branche. Auch eine Imagekampagne für die Branche scheint mir nach der Pandemie ein zusätzliches Instrument unter der Schirmherrschaft der Sozialpartner zu sein. Die sechs Parteien haben ein gemeinsames Interesse, dass wir zu genügend gut ausgebildeten Arbeits- und Fachkräften kommen. Deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass wir hier weitere konstruktive Ansätze finden werden.

Müssten nicht einfach die Löhne angehoben werden?

Nach einer dreijährigen Grundbildung verdient man in unserer Branche mindestens 4’200 Franken. Als Einstiegslohn ist das ein gutes Salär. Bereits vor der Coronakrise gab es Regionen, in denen der Einstiegslohn markant höher lag. In einer Branche mit einer tiefen Marge sind dann vielleicht nicht die grossen Lohnschritte bis auf 10 000 Franken monatlich möglich, wie sie die Banken- oder die Pharmaindustrie kennt. Aber in Zukunft werden es sowieso die Arbeitnehmenden sein, welche die Löhne bestimmen. Der «War for Talents» wird die Löhne steigen lassen, der Markt wird einen höheren Ansatz von selbst diktieren.

HotellerieSuisse ist selbst mit Bildungsinstitutionen auf dem Bildungsmarkt aktiv. Was haben Sie da vor?

Unsere Schulhotels befinden sich in Martigny, Interlaken und Pontresina. Wir sind Mitträger der Hotelfachschule Thun und Träger sowie Stifter der EHL Group mit Campus-Standort Lausanne, Passugg und Singapur mit insgesamt über 5'000 Lernenden und Studierenden. Historisch betrachtet sind diese Bildungsinstitutionen selbständige Einheiten. Wir wollen nun in die Zusammenarbeit dieser Institutionen intensivieren. Von der beruflichen Grundbildung über die höhere Berufsbildung bis zum Fachhochschulabschluss soll alles angeboten werden – und zwar mit einer grossen Durchlässigkeit. Ein solcher Anbieter wird in der Schweiz und auch international einmalig sein.

In welchem Kontext steht dabei Hotel & Gastro formation in Weggis?

HotellerieSuisse ist zusammen mit GastroSuisse und Hotel & Gastro Union Träger der Hotel & Gastro formation in Weggis. Zusammen bilden wir die Organisation der Arbeitswelt (OdA) im Gastgewerbe der Schweiz. Die Aufgabe liegt darin, die Berufsbilder unserer Branche gemeinsam weiterzuentwickeln, zu modernisieren und aufgrund der Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zu revidieren. Uns scheint es wichtig zu sein, dass wir Trägerverbände gemeinsam eine eigentliche Trägerstrategie entwickeln und uns dabei die Frage stellen, wie es uns gelingt, dass wir die Aufgabe der Weiterentwicklung der Berufsbilder gemeinsam noch fokussierter, dynamischer und weiter stärken können.

About

Claude Meier (43) ist seit sechs Jahren Direktor von HotellerieSuisse. HotellerieSuisse beschäftigt mit seinen Schulhotels zusammen rund 180 Mitarbeitende. Der studierte Volkswirtschafter nimmt auch Einsitz im Stiftungsrat der Ecole hôtelière de Lausanne (EHL) Group und ist Vorstandsmitglied des Schweizerischen Tourismus-Verbandes STV. Der gebürtige Luzerner wohnt und lebt in Bern. Am 27. März 2022 kandidiert er auf der FDP-Liste der Stadt Bern für einen Sitz im kantonalen Parlament von Bern.

Und hat HotellerieSuisse auch Forderungen  an die Politik, um dem Fachkräftemangel entgegentreten zu können?

Es muss uns gelingen, unser inländisches Fachkräftepotenzial möglichst optimal auszuschöpfen. Stichworte dazu sind: bezahlbare Kitas, um Eltern für den Arbeitsmarkt zu gewinnen; Anreize schaffen, um das Rollenverständnis von Mann und Frau in der Gesellschaft weiter auf Gleichberechtigung auszurichten und neue Arbeitsmodelle zu ermöglichen. Denn es ist klar, dass wir Männer und Frauen im Arbeitsprozess brauchen. Auch die Einführung einer Individualbesteuerung kann hierzu weitere Anreize liefern. Und wichtig dabei ist, dass der Faktor Arbeit nicht durch zusätzliche Steuern, Abgaben, Regulierungen und Bürokratie verteuert wird.

Claude Meier, wir danken  Ihnen für das Gespräch.


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